The Stone Roses

Vor 20 Jahren erschien das Debüt-Album der Stone Roses, das "Madehester" und die Renaissance des Britpop auslöste. Ein Rückblick.

Es waren bis dahin unruhige, unbefriedigende Jahre in Pop-Britannien, ohne Richtung und Spannung. Maggie Thatcher, lange sinn- und solidaritätsstiftendes Feindbild, war gerade dabei, sich selbst vollends zu demontieren, als sich Factory-Eigner und Hacienda-Betreiber Tony Wilson in einem Akt waghalsiger Geschäftstüchtigkeit weit aus dem Fenster lehnte und „Madchester“ zum Mittelpunkt der Welt erklärte, anlässlich eines Branchentreffens in New York City. Die Zukunft des Pop liege in seiner Tanzbarkeit, so der smarte Tony, in der Eroberung des Dancefloor mit Gitarren. Und ebendas ereigne sich in Manchester. Right now. Im Sommer 1990.

Dort wurden Wilsons schlaue Winkelzüge mit Schmunzeln registriert. Sicher, Acid-House drang aus allen Boutiquen der Stadt, Raves zogen an Wochenenden Tausende ins Umland, und die Happy Mondays waren hoffnungsfroh zugedröhnt auf dem Weg zum nächsten großen Ding. Aber ihr Durchbruch-Album „Pils’n’Thrills And Bellyaches“ war noch nicht einmal fertig, Primal Screams „Screamadelica“ sollte auch noch etliche Monate auf sich warten lassen und „The Stone Roses“, erschienen im März des Vorjahres, hatte auch nicht gerade die LP-Charts gestürmt. Erst als „Fool’s Gold“ zum Hit avancierte, kratzte die LP ein wenig an der Top 20. Im Roses-Camp war man daher eher skeptisch in Bezug auf Wilsons Hype. Im Übrigen fühlte man sich dieser Madchester-Szene nicht so recht zugehörig, war wider Willen eingemeindet worden.

Im Rückblick erwies sich das Marketing-Manöver in Manhattan freilich als self-fullfilling prophecy und als ein Lehrstück in Sachen Medienmanipulation. Von dem auch die Stone Roses noch profitierten. Nicht nur, weil sie in der Folgezeit mit „Elephant Stone“, „Made Of Stone“ und „One Love“ respektable Hits landeten, nicht nur, weil ihr Album so doch noch zum Dauerseiler wurde, sondern vor allem, weil sie zur wichtigsten Inspirationsquelle einer ganzen Generation von Musikern wurden. Fast drei Jahre lang galten sie als coolste Combo auf dem Planeten. Alles wurde imitiert, von John Squires Art, die Gitarre zu halten über Ian Browns Watschelgang bis hin zu Manis Kopfbedeckungen und Renis Beinkleidern. „Ihr Stil war so perfekt wie ihr Timing“, erinnert sich Noel Gallagner, „sie waren im richtigen Moment am richtigen Ort.“

Roses-Gigs wurden größer und seltener, die Erwartungen an die Band von Fan- wie von Label-Seite schließlich so hoch, dass sie ihnen nicht mehr gerecht werden konnten. Egoblähungen und interne Querelen aufgrund von Drogenexzessen und Gerichtsprozessen zerstörten, was noch übrig geblieben war vom ursprünglichen Traum der Perfektion in Pop. Ein paar Jahre später raufte man sich zu „Second Coming“ noch einmal zusammen, ein Album ohne Elan und Eleganz, stumpf rockend und in vielerlei Hinsicht die Antithese zu allen musikalischen Statements der Band, vom popsensiblen Jangle der frühen Indie-Singles „So Young“ und „Sally Cinnamon“ bis zu den euphorisch jauchzenden, sich an der eigenen Ambition und Imagination berauschenden Meisterwerken wie „Made Of Stone“.

Das Verdienst der Stone Roses kann „Second Coming“ nicht schmälern. Damals, beim Übergang der 80er in die 90er Jahre, gaben uns die Roses den Glauben an jene Magie zurück, an den Zauber einer entwaffnenden Melodie zu himmelstürmenden Klängen aus Gitarre, Bass und Drums. Eine hohe Kunst, die in Britannien souveräner beherrscht wird als sonstwo. Und die schon fünf Jahre nach „The Stone Roses“ eine neue Blütezeit erlebte, nicht zuletzt dank einer anderen Band aus Manchester. Weshalb deren Sänger das letzte Wort hat: „Es gibt keine Band, die uns so stark beeinflusste wie die Stone Roses.“

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