Tom Jones – Frankfurt-Höchst, Jahrhunderhalle

Irgendetwas geht da vor, was der 08/15-Mann nie kapieren wird: Sobald Tom Jones auf eine Bühne tigert und dort sein sonores Timbre ertönen lässt, scheint in Damen jedweden Alters ein Schalter betätigt zu werden, der wahre Hormonströme freisetzt. Auch in Frankfurt vollzieht sich dutzendfach ein Ritual, das in der 36-jährigen Karriere des Walisers offensichtlich von mittlerweile recht prall geschminkten Fan-Müttern an ihre Töchter weitergegeben wurde.

Unter raketenhaft ansteigendem Jubel schreitet eine Frau nach der anderen nach vorn, um ihrem fast 60-jährigen Objekt der Begierde feierlich ein Dessous zu überreichen. Jones bedankt sich meist mit einem viel sagenden Augenrollen, fragt schon mal artig nach der BH-Größe und studiert ansonsten interessiert die Liebesgrüße aus den Unterhosen. Was sich so anhört wie die Butterfahrt eines weiblichen Kegelclubs, hat nach dem xten Comeback von Tom Jones trotzdem alle Dimensionen eines Pop-Events: Schließlich hat der Tiger für „Reload“ eine All-Star-Auswahl (u. a. Robbie Williams, Portishead, Van Morrison, die Pretenders, Catatonia-Sängerin Cerys, Simply Red oder The Cardigans) als Duettpartner zusammengebrüllt Stellte sich nur die Frage, wie die immergrüne Ein-Mann-Boygroup diese Songs ohne prominente Begleiter live rüberbringen würde. Aber die Antwort kriegt man sofort: Wie eine Planierraupe ebnet das mächtige Organ des gedrungenen Anzugträgers jedes Stück so ein, dass es klingt, als wäre prominentes Material wie „Burning Down The House“, „Sunny Afternoon“, „Mama Told Me Not To Come“ oder „Walking In Memphis“ nur geschrieben worden, um es irgendwann Tom Jones anzudienen. Der Fangemeinde ist es dabei völlig gleich, ob der röhrende Raubkater ihnen brandneue Pop-Perlen oder so altbewährte Schmachtfetzen wie „Delilah“, „She’s A Lady“ oder „Green Green Grass Of Home“ vorsetzt Die äußerst präzise Band erweist sich auch bei Lenny Kravitzs „Are You Gonna Go My Way“ oder dem Princeschen „Kiss“ als unverwüstlich. Da verzeiht man selbst die kleinen Enttäuschungen des Abends: Wenn Jones etwa bei seinen normalerweise virtuosen Gratwanderungen an der Kitschgrenze zu tief in das Gebiet des schlechten Geschmacks eindringt. Oder wenn der Dancefloor-Ohrwurm „Sexbomb“ seinen Charme verliert, als die Mousse T.-Beats nur scheppernd vom Band hämmern.

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