Underdogs mit Grandezza

Was konnte langweiliger sein als eine gute Rock-Band, was auflegender und berauschender als eine großartige? Alle paar Jahre höchstens taucht eine Band aus dem Nichts auf, die Rock nicht spielt, sondern zelebriert, eine Band mit zeitlos brillanten Songs und völliger Hingabe, mit einer Leidenschaft, die das Korsett dieser unzähligemal gehörten Strukturen sprengt, eine Band wie Travis. Tbogoodto be true.

So wie Francis Healy. Seine Geschichte ist derart anrührend, Ehre Details sind so plastisch, daß unweigerlich die Frage aufkommt, ob man es mit einem begnadeten Schauspieler zu tun hat oder mit einer realen Person, ob dieses schottische Familienstück voller Entbehrungen und Großherzigkeit das gutgemachte Remake eines Märchens ist oder sich wirklich so zugetragen haben kann im Glasgow des ausgehenden 20. Jahrhunderts. So arm seien die Healys gewesen, daß die Familie sich keinerlei Unterhaltungselektronik leisten konnte. Man saß abends um den Tisch im Wohnzimmer, erzählte einander Geschichten und ward glücklich, weil beisammen. Träumen, sagt Fran, sei in Ermangelung von Kleingeld seine Lieblingsbeschäftigung gewesen, und noch heute hänge er gerne Tagträumen nach. Sein Blick ist unverwandt auf das Gegenüber gerichtet, da ist kein Arg in der Stimme, und die drei anderen Jungs bestätigen Healys Erinnerungen von der heilen Kindheit und Jugend nikkend. Im übrigen, soviel ist sicher: Diese Augen können nicht lügen.

Francis Healy ist echt Und diese menschliche Authentizität überträgt sich auf seine Songs, die Fran herzerwärmend und herzzerreißend singen kann, und auf seine Songs, die an Simplizität kaum zu überbieten sind und den Hörer doch oder gerade deswegen in emotionale Irritationen stürzen. Er habe gar nicht gewußt, daß er Songs schreiben kann. Irgendwann sei es dann über ihn gekommen, er habe sich hingesetzt, und da war plötzlich diese Melodie, der Text kam von alleine, fertig. „All I Want To Do Is Rock“, fand der Rest der Band, war über die Maßen gelungen, und so wurde es ihre erste Single. Alle legten zusammen, Frans Mutter gab ihr Erspartes, und es reichte für 750 coole lOinch-Scheiben, die sie binnen Tagen loswurden. Jetzt haben sie selber keine mehr, was sie ein wenig traurig stimmt, weil sie so verdammt stolz daraufsind und weil es Leute gibt, die diese 45 für genialisch halten. Was eine Untertreibung ist. Ein besengteres und perfekteres Stück Pop haben die 90er Jahre nicht hervorgebracht.

Der gloriose Lärm von „Rock“ rief ein Label auf den Plan, ein Deal wurde geschmiedet, und ehe sie sich versahen, saßen die vier Jungs von Travis im Flieger nach New brk, wo der berühmte Steve Lillywhite wartete, um sie zu produzieren. Ein bißchen, gibt Healy zu, hätten sei Bammel gehabt Aber Lillywhite habe sie nicht bevormundet, ihnen lediglich bei der Soundfindung zur Seite gestanden.

Daß „All I Want To Do Is Rock“ in der neuen Fassung einiges an Hitze und Inbrunst eingebüßt hat, sei okay, weil dafür die Melodie besser zu hören sei und auch der Text. Sicher, die LP-Version klinge etwas zahmer, räumt Healy ein, aber der Feedback-Zauber zu „Rock“ finde ja fast jeden Abend auf der Bühne statt, wenn Travis live spielen. Ob er da den ursprünglichen Text singe, will ich wissen, den mit dem four letter ward. Die anderen kichern, aber Francis Healy ist nicht amüsiert. „Das war doch ursprünglich nur ein blöder Witz. Ich könnte mir wirklich die Zunge abbeißen dafür, daß ich das damals so dahingesagt habe. Ganz schön naiv von mir, in Anwesenheit eines Reporters. Glaub‘ mir, ich käme nie auf die Idee, fuck in einen Songtitel zu schreiben. Meine Mutter wäre ja entsetzt.“

Wie schon gesagt, too fuckin‘ good to be true.

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