Wie Werber den Musikern helfen würden

Es wird mehr Musik gehört als jemals zuvor. Aber die Künstler bekommen selten den Respekt und die Anerkennung, die ihnen zusteht. Kann man dafür ein Bewusstsein schaffen? Wir haben kreative Werbeagenturen um Ideen gebeten. Fast alle geben illegalen Downloads die Schuld. Hier sind ihre Entwürfe.

Seine erste Fender …

… Stratocaster zündete Jimi Hendrix 1967 auf einer Bühne in London an. Stefan Rehne, Kreativdirektor bei Grey Worldwide in Düsseldorf (E.ON, Deichmann, Seat, DocMorris), wählte die Szene für den Grundgedanken: Wenn wir für Musik nicht bezahlen, können Künstler auch keine große Kunst mehr abliefern. Auf werbisch: If we don’t pay, they can’t play. Illustrator Mathieu Mazzotti hat das Motiv gestaltet. Mit im Team: Supervisor Jörg Holtkamp.

Verblasst …

… sind die legendären Plattencover, die Stephan Vogel, der Kreativchef der Frankfurter Agentur Ogilvy&Mather (Ikea, ZDF, Dove) in einer Anzeigenserie zeigt. Nicht, dass beim digi-

talen Kopieren schlechtere Qualität entstünde. Der Gedanke des Teams um Helmut Meyer (Creative Director) geht weiter: Wenn Musiker nicht anständig bezahlt werden, ist kein Geld dafür da, qualitativ hochwertige Musik zu machen.

Punkrock-Fans …

… die ihre Lieblingsband beschimpfen und demütigen, in dem sie die Leistung der Musiker illegal kopieren, sind das Motiv der Agentur Kolle Rebbe (Bionade, Nike, Warsteiner) aus Hamburg. Das wird illustriert mit Hilfe eines Ätz-T-Shirts im „Look and Feel“ von Green Day. Art-Direktor Ale- xander Schmid und Sascha Petersen (Text) fordern: Stoppt den Download-Wahnsinn.

Die Grab- inschrift …

… „Ruhe in Frieden“ (lateinische Abkürzung: r.i.p. – resquiescat in pace) erinnerte die Agentur Saatchi&Saatchi (Volvo, Pampers, Emirates) an das englische verb „to rip“, das für Kopieren von CDs verwendet wird. Der Chef- kreaktive Burkhard von Scheven entwickelte dazu mit seinem Team das Motiv „Don’t R.I.P. music“ mit Gitarren als Grabkreuzen.

Der Ladebalken …

… als Mordwerkzeug. So drastisch führt die Hamburger Agentur Leagas Delaney (Skoda, Good- year, Parship) jedem Betrachter der Anzeige vor Augen, dass man zum Karriere-Killer wird, wenn man für Musik, die man liebt, nicht bezahlt. Das Team der beiden Kreativchefs Stefan Zschaler und Hermann Waterkamp hofft, dass Betroffenheit beim Betrachter die Bereitschaft erhöht, für Musik zu bezahlen.

Deutlicher …

… als mit diesem von Christian Bienefeld bekritzelten CD-Rohling kann man kaum sagen, dass illegales Kopieren von Musik „für’n Arsch“ ist. Die Kreativdirektoren Bernie Lukas und Arno Lindemann von der Newcomeragentur des Jahres 2010, LLR aus Hamburg (Mercedes, Germanwings, Ferrero), wählten dieses Motiv zum klaren Favoriten ihres Kampagnenentwurfs. Art Direktor war Markus Kemer. Für den bei diesem Motiv von der Agentur weggelassenen Text sorgte Thomas Heyen.

Das USB-Kabel …

… wird für die Hamburger Agentur kempertrautmann (Audi, Mediamarkt, Paulaner) zur Henkerschlinge. Gerrit Zinke und Jens Theil (Creative Direction) sowie Bastian Adam (Art Direction) setzen das PC-Zubehör als Symbol für den Musik-Download gleich mit einem Instrument zur Vollstreckung der indirekten Todesstrafe an Musikern.

Selbst ein Blitzeinschlag …

… auf der Bühne konnte Falco 2004 bei seinem legendären Donauinselkonzert nicht stoppen. „Er spielte weiter, bis die Bühnentechnik im Regen unterging“, erinnern die Freunde des Hauses aus Hamburg (Lidl, Nuon, ING-DiBa) und fragen die Musik-Fans: „Er hat alles gegeben, was gibst Du?“ Kreativchef Thore Jung meint: „Musiker haben mehr verdient als nur Respekt.“

Die Namen …

… berühmter Bands hat die Münchener Agentur Heye (McDonalds, Casio, FC Bayern) verfremdet. Aus 50 Cent wurde 0,5 Cent, aus den Doors die Poors, aus den Strokes die Brokes. Die Red Hot Chili Beggars machen klar: „Illegales Downloaden macht erst die Stars ärmer. Dann die Musik.“ Die Art-Direktion hatten Sebastian Hackelsperger und Stefan Ellenberger. Mit im Team waren Kevin Thoma und Daniel Hormes.

Um die Ecke …

… gedacht könnten Verächter von Volksmusik dem Genre durch illegalen Download schaden. Okay, auch Volksmusiker haben Anrecht auf faires Geld für ihr Handwerk. Aber den Hamburger Werbern um Florian Grimm von Grimm Gallun Holtappels (Ikea, Fielmann, Kappa) gefiel diese Idee zu gut: Rock am Ring als Volksmusikfest, weil alle Rockbands durch illegales Kopieren pleite gingen? Was für eine Schreckensvision.

Das Download-Dilemma

Man kann ja nicht darauf hoffen, dass die Leute für etwas bezahlen, das man auch umsonst bekommen kann“, sagte Nick Hornby vor einigen Monaten in einem Interview. Ausgerechnet der Mensch, der mit „High Fidelity“ eine der schönsten Liebeserklärungen an die Plattenläden dieser Welt – und damit an den klassischen Tonträger- kauf – geschrieben hat. Aber er hat ja recht: Mit der Digitalisierung der Musik ist das Kind in den Brunnen gefallen bzw. in den Süßwarenladen gestoßen worden. Und wenn man sich heute mit der Frage befasst, welchen persönlichen und finanziellen Wert man Musik beimisst, kommt man schnell zum illegalen Downloaden. Und in den meisten Fällen auch zur Gewissensfrage: Wie stehe ich eigentlich selbst dazu?

Natürlich sollte man unterscheiden zwischen jenen, die im großen Stil Festplatten voller unbezahlter Musik horten und jenen, die das Internet als Medium zum Austausch der Musikleidenschaft entdeckt haben – und dabei gelegentlich über die Urheberrechtsgrenzen schlittern. Es ist doch schon, ohne ein ganzes Album zu „rippen“, schön genug: Via MySpace und Last.FM kann man sich einen ersten Eindruck einer neuen Band holen, via Hype Machine gelangt man zu einem oder zwei – manchmal legalen- Songs. Über YouTube schaut man Live- oder Fernseh-Mitschnitte. Ein Weg, der aber oft leider nicht in den Plattenladen oder zu den gängigen Downloadportalen führt, sondern auf Seiten wie Rapid- share, wo man sich gleich das ganze Album zieht.

Dennoch sollte man sich an dieser Stelle die Naivität erlauben, an das Gute im Musik hörenden Menschen zu glauben. Wenn von Seiten der Industrie Preis und Qualität stimmen. Wenn nicht gleich alle Leute mit MP3-Dateien auf dem Rechner unter Generalverdacht gestellt werden. Wenn die Künstler auch am Online-Musik-Verkauf angemessen verdienen. Wenn Konzertpreise nachvollziehbar bleiben. Wenn man sich bewusst macht, dass der Kauf eines Songs auch eine Wertschätzung für den Künstler ausdrückt und dies eine noch viel tie- fere Verbindung zur Musik auslösen kann – dann wird hoffentlich auch die Prognose Nick Hornbys Lügen gestraft. daniel koch

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