Wildfang und Katze

DÜSSELDORF, PHILIPSHALLE.

Das Entree ist schlicht und hinreißend. Karges Licht im Hintergrund einer fast nackten Bühne mit niedriger Verstärker-Formation illuminiert fünf Schattenmänner, die sich aus dem Stand in den guten Groove von „Rieh Woman“ fallen lassen. Und dann, ja dann kommen sie. Gleichzeitig. Von links schreitet Alison Krauss als front-porch-Wildfang im bunten Kleid über kniehohen Stiefeln heran, von rechts, nun sagen wir: tigert Robert Plant im langen weißen Rüschenhemd unter schwarzer Weste zur Bühnenmitte. Wie ein müdes Raubtier, das noch nicht recht weiß, ob der Sprung zur letzten Beute auch wirklich gelingen wird. Oder ob es überhaupt Lust hat darauf. Doch dann singt sie ja, diese alte Wildkatze: „She got the money and I got the honey…“ Uuuh ja, den hat er immer noch und dazu auch noch diesen klitzekleinen Hüftschwung…

Der- in jeder Hinsicht – große Taktgeber sieht das alles von rechts außen. Hüne T Bone Burnett, von Plant wahlweise als „mogul of modern music“ (vor einem kleinen Solo-Ausflug gen New Orleans mit „Bon Temps Roulez“) bzw. James Last!“ (nach dem hell erleuchteten Final-Donner von „Gone Gone Gone“) an- bzw. abmoderiert, dirigiert das Ensemble mit Blicken, einem Lächeln und wechselnden Gitarrenhälsen; jedenfalls stets im direkten Draht mit dem ingeniösen Schlagwerker Jay Bellerose. Auf einem optisch dominanten, funktional aber durchaus minimalistischen Drumkit, das wie ein verschollen geglaubtes Beutestück der Konförderierten anno 1864 anmutet, räumt der Schlipsträger mal eben sämtliche 4/4tel-Konventionen beiseite. Wohlgemerkt ohne Hi-Hat.

Stuart Duncan indes, als zweiter von links mühelos zwischen allerlei akustischen Saiteninstrumenten zu Hause, bleibt es vorbehalten, erste Aufschreie aus einem (zu) lange reservierten Publikum zu provozieren. Sein Banjo-Intro geleitet das Paar vor ihm zu einem eher blassen ,31ack Dog“, der auch da draußen im Call fe? Response-,,Ah-Ah“ kaum Gassi-Gänger ermuntern kann. Da finden später „Black Countrv Woman“, „The Battle Of Evermore“ und nicht zuletzt auch „I’m In The Mood“ aus Plants frühem Solo-Werk „The Principle Of Moments“ schon eher zu überzeugend neuer Form. Doch die ganze Dynamik dieser oft traumhaft reduziert auf- oder besser: unter-spielenden Band entfaltet sich dann doch weniger im Rückgriff auf die Led Zep-Historie als vielmehr in einer späten, fulminanten Version von „Nothin“, die vermutlich selbst den notorisch lebensmüden Autor des Songs (Townes Van Zandt) an ein Morgen hätte glauben lassen.

Da hatte das nur scheinbar müde Raubtier den Mikroständer auch schon längst jenseits der Hüfte emporgeschwungen, stets genüsslich mit den Erwartungen spielend, die vor Krauss‘ süperber Interpretation von Tom Waits‘ bitterem „Trampled Rose“ in einem einsamen „Stairway!“-Ruf aus der Halle gipfeln. Dabei ist der Himmel hier unten auf der Bühne der Philipshalle doch auch ohne Stiege öfter mal ganz nah. Ein Funke Ironie glimmt deshalb immer mit. wenn Robert Plant – wiewohl auch in der ersten Reihe ganz präsent und prächtig bei Stimme – sein Ego endgültig an der Garderobe (oder bei T Bone) abgibt, um als eben gerade nicht x-beliebiger Background-Sängerganz hinter seine Partnerin zu treten. Die schwebt dann gerade durch Gene Clarks „Through The Morning, Through The Night“, getragen von Buddy Millers luziden Pedal-Steel-Licks. Oder gibt in „Let Your Loss Be Your Lesson“ auch mal flink die giftige R&B-Ratte, derweil Plant gleich ganz abtritt. Und in einer der schönsten Episoden eines an ebensolchen nicht eben armen Abends schiebt sich Plant, einem schüchternen Ministranten in der Bluegrass-Sonntagsschule gleich, zwischen Duncan und Miller an ein Mikro, vereint im sanften Harmonie-Trio für diese unglaubliche Alison, die a-Capella gerade der Transzendenz sehr nah sein muss (auch wenn sie nur am Strand herumspaziert). In Momenten wie diesem scheint selbst liier, in dieser kühlen, großen Halle, kurz die Zeit stehenzubleiben, bevor Plant und Krauss dann doch wieder weitermüssen, um in „Killing The Blues“ die zartinnige Essens ihrer Liasion zu beschwören. „Somebody said they saw me, swinging the world by the tail…“

In der Zugabe darf – auf links außen – Buddy Miller diese Welt noch einmal mit kräftigem twang zum Schwingen bringen, bevor das gebrochene Herz von „Your Long Journey“, das schon „Raising Sand“ so schön zur Ruhe gebettet hatte, doch eigentlich auch hier ein perfekter Schlusspunkt gewesen wäre. Die Hallenmusik läuft schon, auch der gefürchtete Bühnen-Blinker schickt bereits „Finito“-Signale zum Mischpult, da tigert das Raubtier doch noch mal aus der Kulisse. Ein running gag möglicherweise? Nein, mit dieser Musik von der Festplatte nach diesem letzten Song hier, so könnten sie uns einfach nicht gehen lassen, verfügt Robert Plant. Und dann tragen ihn nur die Fiddles fort in „When The Levee Breaks“, aber es sind immerhin die von Alison Krauss und Stuart Duncan unisono. Verbeugungen, Winken, zuguterletzt geht Plant noch mal an die Rampe und nimmt eine rote Rose aus dem Publikum entgegen und Burnett eine gelbe, die sie — die Gentlemen lassen nicht bitten — natürlich gleich an die einzige Frau auf der Bühne weiterreichen. Alison, their aim is truel Ein Abgang, fast so schlicht und hinreißend wie das Entree.

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