Zum Tode des Songwriters Jay Reatard

Gestern wurde Jay Reatard tot aufgefunden. Er verstarb am frühen Mittwochmorgen in seinem Haus im Memphis. Reatard, bürgerlich Jimmy Lee Lindsey Jr., war 29 Jahre alt. In seinem jungen Leben brachte er es mit diversen Bandprojekten auf 22 Full-Length-Alben und über 100 Veröffentlichungen.

„It Ain’t Gonna Save Me“ – mit diesem nicht gerade optimistischen Titel begann Jay Reatards Album „Watch Me Fall“, mit dem er im letzten Jahr endlich einem größeren Publikum bekannt wurde. Dabei hatte schon sein Alben-Debüt „Blood Vision“ für erstes Aufsehen außerhalb der Garage-Szene Memphis‘ gesorgt – nicht zuletzt wegen des krassen Covers, das Jay Reatard Blut kotzend, mit rotverschmierter Brust und nur mit einer Unterhose bekleidet vor einem weißen Hintergrund zeigt. Aber auch die 15 Songs zeigten schon die Richtung, die Jimmy Lee Lindsey Jr., so sein gebürtiger Name, einschlagen wollte: Er wollte den Pop in die Garage bitten und seinen rumpeligen Hochtempo-Songs mit der Melodiekeule beikommen. Das funktionierte bei dem Track „Death Is Forming“ zum Beispiel schon vorzüglich. Da wird man erst von punkigem Staccato-Shouting durchgerüttelt und danach von einem fast melodieseeligen Refrain gestreichelt, was natürlich nicht sofort hörbar ist, da das ganze Album ungefähr so klingt, als hätte man es in einem Bunker unter einem Keller unter einer Garage aufgenommen.

Nach seinem Signing bei Matador veröffentlichte Reatard im Sechs-Wochen-Takt streng limitierte 7-Inches und kochte um sein Schaffen damit, bewusst oder unbewusst, einen kleinen Hype hoch. Musikalisch ging es für ihn weiter Richtung Pop-Punk, was sich an Songs wie „You Mean Nothing To Me“ manifestierte, wo er sich gar Keyboards leistet – wenn auch schrottige. Die Bestellungen der Vinyl-Singles sorgten mehrfach dafür, dass die Matador-Website in die Knie ging. Matador veröffentlichte die Singles später als CD-Compilation.

Dementsprechend erwartungsvoll blickte man dann seinem zweiten regulären Albenrelease entgegen. Der Titel „Watch Me Fall“ ist dann auch als selbstironisches Statement zum Hype zu lesen. Die Songs sind mehr denn je „laute Popmusik“, wie Reatard sie in einem Interview ganz bescheiden nannte. Mit dem Video zu „It Ain’t Gonna Save Me“ (siehe unten) bewies er wieder einmal seinen Spaß am Makabren: Hier battlet er sich mit einem Rudel Kinder und zerlegt gemeinsam mit ihnen und einem amoklaufenden Clown die spießige Gartenparty. Reatard endet am Marterpfahl, der Kameramann im Pool, die Kinder, die zuvor mit Knüppeln, Wasserbomben und Fesseln zu Werke gegangen sind, triumphieren.

Aber seine Karriere unter dem Namen Jay Reatard war nur ein Kapitel aus dem Leben des Jimmy Lee Lindsey. Bandprojekte wie The Reatards, The Lost Sounds, Destruction Unit oder Angry Angles sind weitere. Auf dem Nachruf auf seiner Website heißt es: „Mit 22 Full-Length-Alben und über 100 Veröffentlichungen, kann man sagen: Jay hat sein Leben der Musik gewidmet. Er spielte ungefähr 1000 Shows in über 20 Ländern.“

Sein letztes Label Matador schreibt zum Tode Reatards: „Jay war so voller Leben, wir verdanken ihm als Mensch und als Künstler so viele unvergessliche Momente. Es war eine Ehre, mit ihm arbeiten zu dürfen. Wir werden ihn schrecklich vermissen.“ Das dürfte all jenen so gehen, die seine Musik schätzten und vor allem denjenigen, die ihn mal live erleben durften, wie er mit verschitzten Haaren und irrem Blick, eine Krachperle nach der anderen rausrotzte. Auf Pitchfork bekommt man in diversen Live-Mitschnitten einen guten Eindruck davon.

„All is lost there is no hope, all is lost you can go home, there is no home for me“, mit diesen Zeilen endet „It Ain’t Gonna Save Me“ und es war bei den Konzerten stets ein schöner Moment, wenn ein Teil des Publikum gemeinsam mit Reatard diesem Fatalismus trotzte, die hypnotische Melodie aufgriff und den Song gemeinsam nach Hause sang. Nun bekommen diese Zeilen zwar einen bitteren Beigeschmack, aber den grandiosen Konzertmoment dahinter vergisst man so schnell sicher nicht.

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