Zwischen Größenwahn, Beschimpfungen und nervöser Erschöpfung: Oasis trotzen der britischen Pop-Konkurrenz

Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Pete Townshend.“ Zum Nachdenken hatte die Frage anregen sollen, wenigstens zum Stirnrunzeln, aber Noel Gallagher ist kein Freund langer Diskurse, und Diskussionen sind ihm ein GreueL Das muß wohl so sein, wenn man auf alle Fragen eine Antwort parat hat und die Welt aus der Perspektive des Überfliegers betrachtet. Ob es jemanden gebe, mit dem ihn eine geistige Verwandtschaft verbinde, eine Art Empathie, war die Frage gewesen. Und warum Tbwnshend? „Es ging ihm wie mit Er schrieb die Songs, spielte Gitarre und mußte sich mit einem nichtsnutzigen Sänger herumärgern.“ Der Sack heißt Roger Daltrey, der Esel Liam Gallagher. Liam ist Noels kleiner Bruder, Oasis-Vokalist und lad extraordinalre. Und als solcher wahrscheinlich Britanniens engstirnigster, großkotzigster und streitsüchtigster Popstar. Und Boys und Stars sind die Gallaghers wahrhaftig, nimmt man ihre Medienpräsenz zum Maßstab und ihre Hit-Potenz. Obwohl Noel nicht gerade wie ein Star aussieht, wenn er in seiner zerzausten Plüschjacke völlig übermüdet durchs Zimmer schlurft und sich matt in einen Sessel fallen läßt. Auch eine Art Image-Pflege. Ein Gallagher verstellt sich nicht Das gilt insbesondere für die Haßliebe der ungleichen Brüder zueinander. Ihre öffentlich ausgetragenen verbalen Scharmützel sind keine Schaukämpfe. Es liege ihnen im Blut, sagt Noel, sie hätten sich schon immer gefetzt Schon als kleiner Junge sei Liam ein Rowdy gewesen, vorlaut und renitent Der Rotzlöfiel rede sich um Kopf und Kragen, und er, der große Bruder, sei es leid, hinter ihm immer die Scherben zusammenzukehren. Aktueller Beleg für den proletenhaften Holzhammer-Charme des kleinen Gallagher war unlängst die Aufforderung an die Adresse von Justine Frischmann, der Frontfrau von Elastica, doch gefalligst mal ihre „Titten auszupacken“. Ziel der Provokation war freilich Justines Boyfriend, der verhaßte Blur-Sänger Dämon Albarn. Ihm und anderen „Mittelklasse-Idioten“ würde Liam zu gern einmal „die Schnauze polieren“. Gegen Justine habe er gar nichts, im Gegenteil, er sei wahnsinnig verschossen in sie. Was für ein Liebesbeweis. Den geschmacklosesten Ausrutscher leistete sich indes Noel Gallagher selbst, als er aus dem fernen Japan einem sehr unfrommen Wunsch Ausdruck verlieh: „I hope the pair of them catch Aids and die.“ Gemeint waren, wer sonst, Albarn und der Blur-Bassist Alex James. Das Oasis-Label übte sich in Schadensbegrenzung, schob den Lapsus auf den angetrunkenen Zustand Gallaghers, und dieser ließ sich zu der Entschuldigung herbei, es sei nur eine flapsige Bemerkung gewesen. Es ist nicht zu übersehen: Seit dem Sommer sind Oasis ein wenig von der Rolle. Die ehedem unschlagbaren Vorzeige-Athleten des Brit-Pop sind in einer Formkrise. Nicht musikalisch, eher menschlich. Ihr kometenhafter kommerzieller Aufstieg scheint ungebremst, aber der Nimbus des „Uns-kann-keiner“ hat doch ein paar Kratzer abgekriegt, seit die Smarties aus dem Süden über die ach so selbstsicheren Nordlichter triumphierten. Bassist Paul McGuigan mußte wegen „nervöser Erschöpfung“ eine Auszeit nehmen. Und da ein Unglück selten allein kommt, haben Stevie Wonders Anwälte durchgesetzt, daß „Step Out“ von der neuen Oasis-LP getilgt wird, weil es angeblich Little Stevies „Upright“ zu sehr ähnele. And to add insult to injury: Aus acht Spielen hat Manchester City einen ganzen Punkt geholt Noel setzt ein gequältes Grinsen auf und winkt ab. Kleine Fische!, seien das, und das Leben gehe i^eiter. Klingt vernünftig. J Ebenso klarsichtig ist seine Prognose, daß noch vor Jahresfrist ein Backlash in den Medien einsetzen wird. Knapp zwei Jahre lang waren Oasis die unbestrittenen Darlings der englischen Musikpresse, und in der neueren Pop-Geschichte ist das ein Rekord. „(What’s The Story) Morning Glory?“ mag noch so brillant sein, derzeit steht das Barometer auf Blur und ihren Clever-dever-Pop. Hätten die Gallaghers auch nur ein Mindestmaß an Cleverness, könnten sie sich souverän auf ihre Stärken besinnen, auf ihre Überlegenheit als Band und unschlagbare Sound-Phalanx, darauf, daß sie es sind, die die besseren Songs haben. „Some Might Say“ und „Slide Away“ und „Wonderful“ sprechen für sich, die Mitbewerber sehen daneben blaß aus. Aber die Gallaghers ohne Sprüche wären nicht die Gallaghers: „Oasis sind die verdammt beste Band der Welt“, sagt Noel, „die Band, auf die ihr alle gewartet habt“ Und Liam fügt hinzu: „Und ich bin der beste Sänger der Welt Das ist Fakt And Iloveit“ J3

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