Zwischen Zauber und Albtraum

Das neue Album von Lisa Stansfield hat ausgerechnet Trevor Horn produziert, doch die Sängerin tappt nicht in die 80er-Jahre-Falle. Sie weiß zu genau, was sie will

Damit das gleich geklärt ist: Ja, sie ist die Frau, die vor 15 Jahren „All Around The World“ sang. Und nein, im Gegensatz zu vielen Kolleginnen klammert sie sich nicht an dem einen Hit fest Er ist ihr auch nicht peinlich, sie hat ihn ja selbst geschrieben. Aber Lisa Stansfield langweilt es ein wenig, dass alles danach daneben immer verblasste. Trotzdem nimmt sie jetzt einen neuen Anlauf. „The Moment“ heißt das neue, sechste Album der 38-jährigen Britin, die bei Dublin lebt, wenn sie nicht gerade in ihrem New Yorker Apartment weilt. Wenn Stansfield von sich erzählt, sagt sie fast immer „wir“, nicht „ich“. Ihr Ehemann Ian Devaney ist ihr liebster Co-Songwriter und Background-Sänger, vor allem aber ihr größter Kritiker. „Und das ist wunderbar! Wir nehmen unsere professionellen Diskussion nicht persönlich. Sonst wäre wir bestimmt nicht seit mehr ab zehn Jahren miteinander glücklich.“ Ein bisschen Zuspruch kann sie im Studio allerdings auch oft brauchen, denn Stansfield zweifelt dauernd an sich selbst „Wenn ich mal etwas wirklich Gutes geschrieben habe, denke ich immer, ich habe das geklaut Und wenn ich irgendwann merke, dass es tatsächlich von mir ist, bin ich entzückt.“ Jedes Mal, wenn sie eine Platte aufgenommen hat, denkt sie, das wäre jetzt definitiv ihre letzte, Schluss mit dem Stress. „Aber dann kommt irgendwer daher, der mir Komplimente macht oder mich auf neue Ideen bringt und schon bin ich wieder im Studio.“ Sie lacht darüber so dröhnend, dass man sie bestimmt nicht bemitleidet.

Produziert hat „The Moment“ Trevor Horn – ausgerechnet der Mann, der für die größten 80er-Jahre-Synthie-Hits von Frankie Goes Tb Hollywood, ABC und Grace Jones verantwortlich war. Ein Rückschritt? In diesem Fall nicht. Die Stimme und die leichtfüßigen Melodien stehen im Vordergrund, die Lieder wirken nur selten überfrachtet. Stansfield wundert sich selbst, dass die Zusammenarbeit so gut geklappt hat. „Ich hätte nie an Trevor Horn gedacht, aber genau das war ja das Spannende. Unser Stil ist sehr unterschiedlich, die Kombination also interessant. Außerdem ist er jemand, der einen immer ermutigt, wenn man schon keine Lust mehr hat. Manche Lieder sind nämlich verdammte Albträume. Ich hasse es, wenn ich den Gesang nicht gleich hinbekomme. Wenn man sich erst mal bemühen muss, ist der Zauber oft schon weg.“

Tatsächlich klingt „The Moment“ nicht nach Anstrengung, sondern wie das Werk einer Frau, die genau weiß, was sie kann. Stansfield macht Erwachsenen-Pop, erzählt Geschichten von Frauen, nicht Mädchen- einer der Songs heißt schon „Treat Me Like A Woman“. Sie hat keine Lust, da Zugeständnisse zu machen und mit irgendwelchen Girlies zu konkurrieren. Nach 18 Jahren hat sie wohl auch deshalb BMG verlassen, um bei Horns kleinem Label ZTT (in Deutschland bei Edel) zu unterschreiben. „Wenn man seine Integrität bewahren will, haben die Geschäftsmänner, die in Künstlern nur Gelddruckmaschinen sehen, viel weniger Respekt vor einem. Bei einer kleinen Firma sind die Egos und der Bullshit auch kleiner. Angenehm!“ Neben den kurzfristigen Plänen – auf Tournee gehen, noch mehr schauspielern hat Stansfield ein langfristiges Ziel: „Wenn ich mal 70 bin, will ich in meinem Schaukelstuhl sitzen, mit einer Decke über den Knien, und sagen können: Ich habe in meinem Leben das gemacht, was ich verdammt noch mal machen wollte, ohne billige Kompromisse, auch wenn ich dadurch manchmal weniger Alben verkauft habe. Who cares?* Sie ist so lässig, man glaubt es ihr.

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