Das zweite Zuhause

In Memphis suchte die Hamburgerin BELUE RAY MARTIN nach den Wurzeln des Soul. Vergeblich

Vom langjährigen, sündhaft teuren Exil London hatte sie genug. Auch New York erschien ihr anschließend „zu hart, dieser ganze rüde Umgangston“. Das Resultat: Die alte Heimat Hamburg hat sie wieder.

„Es war wie ein Aufatmen“, sagt Billie Ray Martin, die einst auf dem Kiez bei Oma und Opa aufwuchs. Dabei hatte sie damals doch „nie wieder Hamburg“ gesagt, die zierliche Diva mit der großen Stimme, die vor fast 20 Jahren das Weite suchte, um der Welt zu zeigen, dass „Eletronicmeets-Soul“ keine abstrakte Formel bleiben muss. Martin, so der „NME“ über ihr Projekt Electribe 101, nähre „den Traum eines musikalischen Amalgams von Depeche Mode und Aretha Franklin“.

Martins Traum lag schon damals in Memphis, wo Willie Mitchell in den Hi-Studios den klassischen Soul mit AI Green und Ann Peebles produziert hatte. „Ich habe zehn Jahre mit Memphis telefoniert“, kann sie heute lachen. Vor fünf Jahren flog sie schon mal rüber, „meine Hausaufgaben“ machen, sprich: Musiker und Studios kennenlernen. Doch erst nachdem große Firmen ihr nicht mehr im Weg standen, war eben der endlich frei für ihr Memphis-Album „18 Carat Garbage“. Martin: „Die haben mich für eine Schwarze gehalten. War immer lustig am Telefon. Die dachten, ich will sie verarschen und sei gar nicht weiß.“

Als der Traum vor ihr lag, kam die Realität dazwischen. Die Realität von Memphis heute. Dazu gehört ein Hi-Studio, das ihr „zu trashig“ war, ein Willie Mitchell, der den Umzug ins schickere „House Of Blues“ nicht mitmachen wollte. Und dazu zählt auch, dass die legendäre Hi-Rhythm-Section längst ein Torso ist. Selbst Maestro Mitchell riet Martin von einem Engagement ab. Zu Recht. „Der Drummer konnte keinen Beat halten, der Gitarrist war auf Koks und meckerte nur rum, und der Keyboarder war am Tag zuvor Priester geworden.“

Marvell Thomas, Sohn von Memphis-Legende Rufus und sonst für Aretha im Einsatz, karrte nach zwei vergeudeten Studiotagen Franklins Band ran und „die haben mir’s in gut einem Tag eingespielt“. Und sonst? „Memphis ist tot, Glanz und Gloria sind weg. Aber diese warme Mentalität der Menschen, die hat mich berührt Es war wie ein zweites Zuhause.“

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