Rare Trax Vol. 3: the french connection

Aber nein, die Radioquote für einheimische Musik unserer französischen Nachbarn hatte keinerlei Auswirkungen auf die "„Rare Trax". Trotzdem gibt es dieses Mal 100 Prozent Frankreich. Doch „"The French Connection" versammelt keine klassischen Chansons, sondern Songs, die ihre anglo-amerikanischen Einflüsse nur schwer verbergen können.

Französischer Pop steht schon seit einigen Jahren wieder hoch im Kurs. Francoise Hardy oder Serge Gainsbourg zu hören ist so hip – oder sollte man sagen: „branche“? – wie noch nie, Bands wie beispielsweise Stereolab oder St. Etienne zitieren kräftig, französische Acts wie MC Solaar oder Air stürmen nicht nur im quotenverliebten Heimatland die Charts, und vor etwa anderthalb Jahren schwappte die nächste Welle von „Le Pop“ über die faktisch nicht mehr vorhandene Grenze zu uns. Künstler wie Benjamin Biolay, Dominique A oder die fabelhafte Francoiz Breut finden sich auch hierzulande in den Kritikerlisten ganz oben. Mittlerweile gibt es auch schon einige gute Überblicke über das Popschaffen nebenan. So etwa die kenntnisreich kompilierte Reihe des Münchner „Atomic Cafes“, „French Cuts“, mit Kuriositäten und längst vergessenen Klassikern – oder die „Le Pop „-Compilations, die gegenwärtige Produktionen zwischen Chansoneskem, Easy Listening und Elektronik versammeln. Zeit für unsere „Rare Trax“, auch mal einen Blick in die Vergangenheit als auch auf neuere französische Produktionen zu werfen.

Und mit wem könnte man, wenn es um französischen Pop geht, besser beginnen als mit -natürlich! – SERGE GAINSBOURG, dem genialischen Songschreiber, Produzenten und Lebemann, der sich in Paris zunächst als Maler und Barpianist durchschlug, bevor er übers Musical zu seinem ersten Plattenvertrag kam. Seiner Liebe zu Alkohol, Zigaretten und – vor allem – Frauen haben wir nicht nur viele große Songs und allerhand Klischees, die wir heute noch mit dem Franzosen an sich verbinden, zu verdanken (dabei war Gainsbourg russischjüdischer Abstammung und hieß eigentlich Lucien Ginzberg): Dank ihm griffen auch die schönsten der Schönen zum Mikrofon. So zum Beispiel unser „Rare Trax“-Coverstar und seine Muse und Geliebte Brigitte Bardot, mit der er sich 1968 als amerikanisches Gangsterpärchen „Bonnie & Clyde“ ausgab – auch in der Selbstinszenierung war er ein Meister, und sein musikalischer Einfluss hat selbst heute, 13 Jahre nach seinem Tod, nicht nachgelassen, wie wir im weiteren Verlauf noch sehen werden.

Auch ANTOINE verstand es, sich zu inszenieren. Auf Plattencovern ließ er sich gerne mal mit Mundharmonika und akustischer Gitarre abbilden. Außerdem sang er zwar nicht über Highways, aber immerhin über „Une Autre Autoroute“. Der amerikanische Einfluss war nicht zu leugnen. Das war nicht ungewöhnlich, denn in den 60er Jahren war die französische Musikszene stark von englischsprachiger Musik beeinflusst, was vielen Acts das Misstrauen der klassischen Chansonniers eintrug. Vor allem Frangoise Hardy wurde – vermutlich nicht nur aus musikalischen Gründen – von Künstlern wie Bob Dylan und Nick Drake umgarnt und dürfte mit ihnen das ein oder andere Pfeifchen geraucht haben.

Womit wir beim skurrilen „Hashish-Faction“ von SULLIVAN wären, das bereits für die erste Folge der „French Cuts“ ausgegraben wurde. Textlich wie musikalisch (das Riff!) ist dieser Song wohl eindeutig eine Anspielung auf „Satisfaction“ der Rolling Stones.

Ahnlich wie Vanessa Paradis ein Jahrzehnt später kam die gebürtige Portugiesin LIO, nachdem sie mit süßen 17 gleich mit ihrer Debüt-Single „Banana Split“ einen großen Hit hatte, von ihrem Lolita-Image lange nicht mehr so recht los. 1986 schließlich kehrte sie mit ihrem Album „Pop Model“ und Hits wie „Les Filles Veulent Tout“ noch einmal an die Spitze der Charts zurück. Für Kunst und Erwachsenwerden sorgte der große John Cale an Keyboards und Mischpult.

Bevor JACQUES DUTRONC in den 70er Jahren hierzulande als Schauspieler in Filmen wie Andrzej Zulawskis Meisterwerk „Nachtblende“ bekannt wurde, hatte er in Frankreich schon eine beachtliche Karriere als Sänger und Songschreiber hinter sich. Zunächst schrieb er Mitte der 60er Songs für Frangoise Hardy (die er 1981 heiratete), startete dann eine Solokarriere und ist zusammen mit seinem Texter Jacques Lanzmann für Klassiker wie „Les Play Boys“ und „II Est Cinq Heures, Paris S’eveille“ verantwortlich.

Der Pianist, Arrangeur und Komponist Michel Legrand, der unter anderem die Soundtracks zu Filmklassikern wie „The Thomas Crown Affair“ schrieb, nahm 1963 zusammen mit demjazz-inspirierten Chansonnier CLAUDE NOUGARO die Co-Komposition „Tout Feu Tout Femme“ auf. Der Titel spielt auf die Redensart tout feu tout flamme – „ganz Feuer und Flamme“ – an.

Disco trifft New Wave, die Talking Heads treffen Grace Jones und Kool & The Gang. Patti-Smith-Freundin LIZZY MERCIER DESCLOUX verwandelte sich Anfang der 80er Jahre in New York vom Punk zur Disco-Diva und nahm mit ihren ersten beiden Alben bereits einen guten Teil von Madonna vorweg. Wie man auf „Les Baisers DAmants“ hören kann, hatten sich auf dem zweiten Album, dem 1981er „MamboNassau“aud Funk und World Music in ihre Songs eingeschlichen. Zusammengehalten wird das ganze von Frau Desdoux unnachahmlichem Gesang.

PIERRE BAROUH ist ein Multitalent: Chef des Saravah-Labels, Schauspieler, Soundtrack-Komponist, Regisseur und gelegendich Songschreiber. Außerdem hat er eine Liebe zur brasilianischen Musik. Mit „Samba Saravah“ vom Soundtrack zu „Un Homme Et Une Femme“ von Claude Lelouch aus dem Jahr 1966 huldigt er den ganz großen brasilianschen Songschreibern und Arrangeuren wie Joäo Gilberte Sergio Mendes und Antonio Carlos Jobim, die er hier sogar namentlich erwähnt. Seltsamerweise ist dieser Samba allerdings ein Bossa Nova. Zut alors!

Sie habe einen gelangweilten französischen Akzent in eine Karriere verwandelt, schrieb ein Kritiker über „Press Color“, das Solodebüt von LIZZY MERCIER DESCLOUX ausdem Jahr 1980. Andere nannten es Coolness und downtown chic. Ein Disco-Meisterwerk jedenfalls. Besonders die zwei Coverversionen auf „Press Color“ sind vorzüglich: eine extrem tanzbare Interpretation von Arthur Browns „Fire“ und das „Mission Impossible“-Thema der argentinischen Soundtracklegende Lalo Schifrin, das sich auch heute noch großer Beliebtheit erfreut.

Der gebürtige Senegalese Claude M’Barali alias MC SOLAAR ist wohl der international bekannteste französische Rapper und fand 1993 nach einem Gastspiel bei Gurus „Jazzmatazz“( er performte hier sein „Le Bien, Le Mal“) sogar in amerikanischen Acidjazz, Rapund HipHop-Kreisen viele Fans. Und das, obwohl er sich ausschließlich der französischen Sprache bedient. Sein flüssiger Stil ist unverwechselbar. Das Stück auf dieser „Rare Trax“, „Et Dieu Crea L’Homme“, stammt vom Album „Les Cool Sessions“ von 1993, für das der DJ und zeitweilige Solaar-Produzent Jimmy Jay einige der besten Rapper Frankreichs zusammenbrachte.

Zum Abschluss noch einmal der Beweis, dass Serge Gainsbourg heute beliebter und einflussreicher denn je ist Der Song „L’Hotel Particulier“ stammt ursprünglich von seinem Meisterwerk „Histoire de Melody Nelson“. Die Version, die wir hier hören, ist allerdings die Neubearbeitung des Elektronikprojekts STRATUS und findet sich auf dem Gainsbourg-Tribute-Album „I Love Serge – Electronica Gainsbourg“, auf dem Künstler aus der Elektronik- und Houseszene wie beispielsweise Howie B., Readymade, Herbert, Bob Sinclair und The Orb alten Gainsbourg-Klassikern mit ihren Remixen ein zeitgenössisches Gewand geben. Und das steht ihnen tatsächlich ziemlich gut.

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