Death Cab For Cutie – Narrow Stairs :: Nicht mehr harmlos: überlange, stilistische Selbstversuche

Die gute Nachricht zuerst: Death Cab For Cutie sind verrückt geworden. Schon entbrennt im Web ein Streit, ob dieses neue Album ein Geniestreich oder Totalausfall ist, schon werden Wetten abgeschlossen über Gedeih und Verderb der eben noch ungefährlichsten Band der Welt.

Ich würde einen vermittelten Ansatz vorschlagen: „Narrow Stairs“ ist gar nicht schlecht. Death Cab For Cutie hatten offenbar von der eigenen Harmlosigkeit und Berechenbarkeit genug und haben im Studio alle gewohnten Arbeitsweisen über Bord geworfen, um sich selbst zu überraschen. Von ausufernden Sessions ist die Rede, jungenhafter Aufgeregtheit und großem Willen, die Dinge anders zu machen.

Man kann das alles hören. Auf „Narrow Stairs“ sind trotzigüberlange Lieder bar jeder Ökonomie, versunkene Kontemplationen und stilistische Selbstversuche in diese und jene Richtung. Gleich der Opener. „Bixby Canyon Bridge“, beginnt mit viel Gitarrengeräusch, am Ende hämmert die Band ein hartes, stolz-hymnisches Riff wie einen Begrenzungspfahl in den Boden und verliert sich dann in einer dreiminütigen Noise-Eskapade. Ab hier auf eigene Gefahr!

„I Will Possess Your Heart“ startet mit einem herrlich unnötigen Instrumentalpart—vier Minuten lang mäandert ein Bassriff zu fliegenden Klavier und Gitarrenkaskaden nirgendwo hin, bevor Ben Gibbard sich seiner Zuhörer erbarmt und zu singen beginnt. Das sehr introspektive Lied hat keinen rechten Refrain, dauert achteinhalb Minuten – und ist die erste Single des Albums.

Nach diesem unerhörten Einstieg wird es ein bisschen leichter mit der Platte, doch der verschworene, schwebende, immer etwas transzendente Grundton bleibt: Man meint, die Band wisse etwas, das uns verborgen ist. Ein Lied klingt nach den Beach Boys, eins nach Coldplay, manch andere wie nachgespielte Spieluhren. Am Ende, nach zwei heftigen Uptempo-Angriffen, steht mit „The Ice Is Getting Thinner“ eine ganz stille, wirklich schöne Ballade. „We’re not the same dear/ As we used to be“, singt Gibbard, „The seasons have changed/ And so have we.“

Das alles ist gut, aber nicht ganz so aufregend, wie man meinen könnte. Death Cah For Cutie machen ein Album, das vermutlich in späteren Jahren als Übergangswerk gedeutet werden wird — das Neue muss in alte Schläuche, und richtig bedeutsame, tiefgehende Musik kann diese Band trotz des radikalen Ausfallschritts nicht imaginieren. Noch nicht?

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