HIPKISS – Bluebird :: COLUMBIA/SONY

Langsam schließt sich also der Kreis. Am Ende des Jahrhunderts kehren die musikalischen Strömungen zurück zu ihren Anfängen, übertrieben gesprochen. Wenig verwundert es da, daß sich die soeben wiederbelebten Comedian Harmonists größter Popularität erfreuen. Sie bilden derzeit die Speerspitze des Retro-Moments, überflügelt vielleicht noch von den Medieval Babes und ihren Gregorianischen Gesängen.

Hipkiss, ein Duo aus Leeds, nicht aus Bristol, geht nicht ganz so weit zurück in der Zeit, sondern steckt seinen Claim in den 50er und frühen 60er Jahren ab. Dort gibt es reichlich zu wildern: Film-noir-Krimis mit regennassen Straßen, wasserstoffblonden Vamps und harten Bullen, ernste Agententhriller mit cocktailschlürfenden Lebemännern und raffinierten Früh-Emanzen – das erste zaghafte Aufkeimen einer Popkultur. So ist auch die Musik auf „Bluebird“ ein stetes Wechselspiel zwischen Schwarzweiß und Technicolor. Swingender Bar-Jazz trifft auf Pizzicato Five, Shirley Bassey läßt sich mit Portishead ein, und Ennio Morricone wienert die Stiefel von Nancy Sinatra.

Unnötig zu sagen, daß Catherine Mather und Andy Campbell alias Hipkiss den Nerv des Zeitgeists mit dieser Collage mitten ins Herz getroffen haben. Visualität ist alles in der zusammengewürfelten Welt der beiden Debütanten. Man kann sie sich vorstellen, wie sie spätnachts durch Dutzende Kanäle zappen, um die schlaglichtartige Inspiration für Songs zu speichern. Bei der Umsetzung in vier- bis fünfminütige Soundtracks geht es nur noch darum, aus den in 50 Jahren gut gefüllten Klangkonserven nach passenden Samples zu suchen. Dabei ist „Bluebird“ natürlich kein Retortenprodukt, sondern wurde selbstredend mit größtmöglichem instrumenteilen Aufwand eingespielt, um authentische Atmosphäre zu schaffen – ebenfalls ein höchst zeitgeistliches Anliegen.

Daß Hipkiss durch diese unglaubliche Anstrengung nicht erst recht künstlich wirken, grenzt an ein Wunder. Zu verdanken ist es nicht zuletzt der stimmlichen Gewandtheit Christine Mathers, die man sich sowohl als verruchte Rita Hayworth, als auch in hipper Sixties-Jazz-Szenerie vorstellen kann. Entspannt tuckernde Arrangements verbreiten dazu die passende Kulisse. Hier nach Innovation zu fragen, wäre ein Sakrileg. „Bluebird“ ist ein rückwärtsgerichteter Wegweiser in die Zukunft.

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