Mick Jagger – Rebell und Rockstar :: Who the fuck is Mick Jagger? Ein ewiges Rätsel, das auch diese dennoch empfohlene Biografie nicht lösen kann.

Er ist viele Typen

von Marc Spitz

Beim Versuch, Mick Jaggers Persönlichkeit dingfest zu machen, sind noch alle Biografen gescheitert. Weil er nicht nur über eine verfügt, vielmehr nach Bedarf in eine jeweils passende schlüpft. „Mick’s a nice bunch of guys“, wie Bill Wyman den Band-Kollegen einst trefflich charakterisierte. Marc Spitz weiß das, maßt sich nicht an, Jaggers Psyche entschlüsseln zu wollen. Auch des Künstlers ereignisreiche Vita in toto auszuleuchten, hatte sich der Autor gar nicht erst vorgenommen.

Er beschränkt sich wohlweislich auf eine Reihe von Stationen, entlang derer er die Bedeutung des Bewunderten als „Rebel, Rock Star, Rambler, Rogue“ – so der Untertitel im Original – für die Rolling Stones, die Musikgeschichte und den gesellschaftlichen Wandel analysiert. Micks jugendlich-fiebriges Faible für alten Blues, der Showdown mit James Brown, die Rituale der Rebellion, die Hitfabrik, Altamont, Big Business: Alles kommt unter die Lupe. Anrüchiges oder sonst wie Kritikables kann Spitz dabei nicht finden, selbst der royale Ritterschlag wird als späte Rache an den Mächten des Establishments verstanden. Mick Jagger, daran lässt sein Biograf kaum je Zweifel aufkommen, agiert für gewöhnlich souverän, klug, umsichtig, ist enorm durchsetzungsfähig und – rerum cognoscere causas – universalgebildet.

Eine Hagiografie hat Spitz dennoch nicht geschrieben, er ist kein bedingungsloser Fan. Was ihn indes wurmt, ist das klischierte öffentliche Bild vom allzeit berechnenden, rücksichtslosen Zampano, das Jagger anhafte, seit er die Geschicke der Stones lenkt. Ein Zerrbild, meint Spitz und erläutert seine Sicht nicht zuletzt am Beispiel der Arbeitsteilung zwischen Mick und Keef, etwa die Frage aufwerfend, vor wie vielen Leuten die Stones heute wohl spielen würden, hätte Mick seinen Draht zu Moderne und Technologie irgendwann rigoros gekappt wie der antipodische Glimmer Twin. Tatsächlich liest sich das Buch über weite Strecken wie die Antithese zu „Life“, Keith Richards‚ Autobiografie, in der der darob enttäuschte Jagger ja nicht sonderlich gut wegkommt. Marc Spitz hält dagegen, argumentiert unbeirrt für das Hirn der Stones, für den Songwriter und Showman. Über Jaggers Rolle als Vorkämpfer der sexuellen Revolution lässt er Patti Smith zu Wort kommen, der libidinöse Abenteurer ist natürlich beneideter Held diverser Anekdoten. Auch Gender-Bender-Tabubrüche werden verhandelt, einigermaßen humorvoll. Immerhin galt Jagger zugleich als androgyn und misogyn. No mean feat. (Edel, 25 Euro)

Cash – Die Autobiografie

von Johnny Cash mit Patrick Carr

Die zweite, lesenswertere Lebensbeichte der Country-Ikone, zwar schon in den Neunzigern auf Deutsch publiziert, nun aber bibliophil wertiger und ansprechender illustriert. Erschöpfend Auskunft gibt sie nicht, so erfährt man wenig über Johnnys erste Frau, dafür einiges über Weggefährten wie die Musiker in den Sun Studios, Faron Young oder Gott. Cashs alttestamentarisches Bekennertum penetriert die Lektüre wie nichts Gutes, hilft aber entscheidend beim Verstehen mancher privater Hölle. Da muss man mit durch. (Edel, 25 Euro)

von Joh Blaney

Die Geschichte musikalischer Evolution im UK der Siebziger, einer Ära, die für Glam-, Prog- oder Punk-Rock berühmt ist, drei Stilwelten, die Blaney in seiner Chronik kaum streift. Ihm geht es um „Pub Rock And The Birth Of New Wave“, so der etwas vollmundige Untertitel, wobei nur der erste Teil aufregend ist, also das Geschehen in Victorian Pubs wie „The Tally Ho“ mit verwegenen Bands wie Brinsley Schwarz oder Kilburn & The High Roads. Die Geburt von New Wave erscheint als ein Betriebsunfall bei Stiff Records. (Soundcheck, 22 Euro)

von Pauline Black

Ein ethnisch pluralistischeres Biotop als London gibt es nicht, und doch sind die gedankenvollen Erinnerungen der Selecter-Sängerin gepflastert mit latent oder offen rassistisch motivierter Diskriminierung. Nichts, worüber Pauline Black sich allerdings bitter beklagen würde. Ohne diese Spannungen, mutmaßt sie, hätte sie ihr kreatives Potenzial nicht entdeckt. So wie sie ohne die weißen Skinhead-Girls in ihrer Schulklasse nicht mit Ska und Blue Beat infiziert worden wäre. (Serpent’s Tail, 20 Euro)

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