Various Artists – Sweet Soul Music 1966-70

Die Fortsetzung der viel gelobten Soul-Jahrgangs-Anthologien Ein wenig grübeln darf man durchaus, wenn man unter den 30 handverlesenen besten Soul-Songs des Jahres 1967 ausgerechnet „Mercy, Mercy, Mercy“ von Cannonball Adderly findet. Der Grund ist schlicht der: Dies durchaus irgendwo auch ganz schön soulful musizierte Instrumental schaffte es nicht nur auf Platz 11 der Pop-Hitparade, sondern in demselben Januar auch auf Platz 2 der Top Rhythm & Blues Records von „Billboard“. Und damit hat es sich offenbar für diese Auswahl qualifiziert. Auch Lorraine Ellisons „Stay With Me“ – eine der ganz großen Pop-Arien – würde man für gewöhnlich nicht unbedingt unter dem Begriff Soul Music subsumieren. Aber die war dort um einiges erfolgreicher als bei Pop-Fans! Auch die Namen Slim Harpo und Aaron Neville tauchen in Peter Guralnicks Standardwerk „Sweet Soul Music“ nirgends auf. Trotzdem mochte man auch auf die hier keinesfalls verzichten. Simpler Grund: Sowohl „Baby Scratch My Back“ als auch „Tell It Like It Is“ hatte es bis an Nr. 1 der Rhythm & Blues Records-Hitparade geschafft – Slim Harpo zwei, Aaron Neville gleich fünf Wochen lang.

Auch in anderen Fällen scheinen die einschlägigen Hitlisten von Joel Whitburn die Entscheidung für oder gegen die Aufnahme eines Songs beeinflusst zu haben. Allerdings nicht in dem von „Some Kind Of Wonderful“ von den Soul Brothers Six. Der schaffte es (notabene: nicht der berühmte Drifters-Song, sondern eine Originalkomposition gleichen Titels) trotz aller PR-Anstrengungen von Atlantic Records gerade mal auf die untersten Plätze der „Billboard Hit 100“, kam aber bei Soul-Fans so überhaupt gar nicht an. Kurios dann nur: Ende 1974 waren ausgerechnet Grand Funk Railroad mit ihrer Cover-Version des besagten Songs auf Platz 3 der Pop-Hitparade!

Die üblichen Verdächtigen, bei den in dieser Gattung führenden Labels unter Vertrag stehenden Sänger und Bands fehlen auf diesen fünf neuen Retrospektiven der Jahre 1966 bis 1970 natürlich nicht, die Stax/Volt-, Atlantic- und Motown-Stars so wenig wie James Brown, Etta James und Sly Stone oder die für Hi und Goldwax singenden Ann Peebles und James Carr. Dass man auf Brook Benton und „Rainy Night In Georgia“ nicht verzichten mochte, geht in Ordnung – auch wenn dieser Tony-Joe-White-Song mitsamt den äußerst üppigen Streichern so ziemlich das genaue Gegenteil dessen darstellt, was Fans des Genres unter Deep Soul verstehen.

Verwunderlich ist dann doch, wieso Solomon Burke fehlt, der 1967 mit dem Southern Soul-Klassiker „Take Me (Just As I Am)“ einen seiner größten Hits überhaupt hatte. Aber auf einer CD lassen sich halt nur so viel Songs unterbringen, wie die Philips/ Sony-Norm erlaubt. Also musste man Mut zur Lücke haben. Außerdem wollte man nicht nur allseits geläufigen Namen ein paar Minuten Spieldauer einräumen, sondern auch Interpreten berücksichtigen, die bei kleinen Indie-Labels unter Vertrag waren, teilweise auch schon längst wieder vergessene One-Hit-Wonder waren und bei uns mangels Vertrieb in Europa überhaupt nie bekannt wurden. Jeder kennt Sly & The Family Stone, und auch James Carr hat es verspätet zu einiger Berühmtheit unter Kennern gebracht, während Howard Täte kurioserweise immer der sprichwörtliche Geheimtip für Kenner blieb.

Aber wer erinnert sich noch an The Poets aus Brooklyn, die es – streng nach Smokey-Robinson-Erfolgformel produziert – mit „She Blew A Good Thing“ 1966 auf Platz 2 der R & B-Hitparade brachten und sich in derselben monatelang hielten? Das von Sly Stone auf seinem Stone Flower-Label an Atlantic lizenzierte Trio Little Sister hatte 1970 gleich zwei Top-10-Hits, von denen für diese Retrospektive „You’re The One“ ausgewählt wurde. Allenfalls Spezialisten dürften sich noch an die Fascinations erinnern, die Curtis Mayfields „Girls Are Out To Get You“ zum Hit machten. Der liquidierte aber, wie die Liner Notes verraten, sein Mayfield-Label bald wieder, feuerte das Quartett, und ein ganz klein wenig berühmt wurden die Mädels vier Jahre später noch einmal, als die Aufnahme in England Platz 32 der Hitparade erklomm.

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