Top Ten Club

Während andere Laptop-Frickler in Lo-Fi-Schönheit sterben, rollt Owl City mal eben die Charts auf. Ralf Niemczyk schaut ihm auf Tastatur

Wir leben in Zeiten der popmusikalischen Gleichzeitigkeiten. Neues klingt wie Altes und umgekehrt. Underground und Mainstream wohnen Tür an Tür. Selbst das einst grundehrliche Sich-entbehrungsreich-durch-die-Clubs-Hochspielen existiert längst auch in der marktstrategischen Variante. Retorten-Sternchen werden so mit dem Staub der Straße versehen. Auf dass sie eine „Story“ bekommen wie eine Start-up-Firma, die sich fit macht für den Börsengang. Nehmen wir Adam Young aus Minnesota, der unter seinem Projektnamen Owl City als „Indietronic“ in den Web-Lexika geführt wird. Bei ihm verschwimmen die Kriterien vollends: Seit 2007 mit selbst veröffentlichten EPs plus einer viel geklickten MySpace-Seite am Start, bereist er mit Laptop und Sequencerkisten die internationalen Kleinbühnen. Eine Nischen-Existenz aus dem Bilderbuch-Blog. Doch während der Hip-Elektroniker John Maus das Prinzip Pop für sich reklamieren muss (siehe Seite 28), knackt Owl City mit ähnlichen Produktionsmitteln mal eben locker die Charts. Unterstützt von Justin-Bieber-Entdeckung Carly Rae Jepsen („Call Me Maybe“) cruist er durch seinen Langnese-kompatiblen Ferienhit „Good Time“. Warum sich abmühen mit feinfühliger Elektronik, wenn es auch mit dem Stimmungshammer geht? Kompressor an, Beats hochpumpen, Autotune-Refrain drüber gelegt, fertig. Stumpf ist Trumpf. Was nach einem subversiven Spaß klingt – nach Muster des KLF-Handbuchs „How To Have A Number One The Easy Way“ – ist vermutlich doch ernst gemeint. Schließlich ist das Video ein buntes Roadmovie, das wie eine Sommerversion des Skihütten-Knallers „Last Christmas“ von Wham funktioniert: Mit schönen Mädels und Jungs ins Grüne rausfahren und total verrückte Sachen machen wie Wandern oder Grillen. Techno in Diensten der Freizeitgesellschaft.

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