30 Jahre „So“ von Peter Gabriel: der Dampfhammer aus Bath

Der Pathoskönig macht ernst: Mit "So" veröffentlichte Peter Gabriel eines der emblematischsten Mainstream-Alben der Mitt-Achtziger.

Bis hinein die Neunziger war Distinktion, also die Abgrenzung gegenüber anderen Popmusiken und Popmusikern weit strenger als in der anything-goes-Ära heutiger Tage. Ex-Genesis-Vorturner Peter Gabriel war lange Zeit so ein Abgrenzungs-Fall. Den hörte „man“ nicht. Ungeachtet aller künstlerischer Verdienste galten seine wuchtig-komplexen Produktionen als pathetischer Schrott, wenn man etwa mit Punk sozialisiert war. „Kunstkacke“ war so ein Attribut, was dann fiel. Es gab dutzende abwertende Kritiken, von wegen „Dinosaurier-Rock“ für seine aus dem Prog-Universum stammenden Sound-Entwürfe á la „Solsbury Hill“.

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Gabriel konnte diese jugendlich überdrehte Anti-Haltung fürchterlich egal sein. Er ging seinen Solo-Weg seit dem Punk-Jahr 1977, unbeirrt von den heftigen Gegenströmungen der damaligen Zeit. „Anarchy“ oder „No Future“ war nicht so sein Ding. Einstürzende Neubauten auch nicht, zumindest in jener Phase. “

Seine Reise zur endgültigen kommerziellen Akzeptanz kam im Jahr 1986 zu einem vorläufigen Ende mit dem Album „So“, das mit dem US-Nummer-Eins-Hit ‚Sledgehammer‘ gleichzeitig eine bahnbrechende, preisgekrönte Video-Arbeit mit sich brachte“, konstatiert mit britischer Noblesse die „Encyclopedia Of Popular Music“ in ihrer 1999er-Ausgabe. Der Humanist und Soundtüftler Peter Gabriel hat also seine Props bekommen, im Lichte der Geschichtsschreibung, Das mussten irgendwann später selbst die Barrikaden-Stürmer des New Wave zugeben.

Das in der gleichen Zeit angesiedelte Duett mit Kate Bush, „Don’t Give Up“, markierte dann auch eine Allianz der arriviertesten britischen Kunstpop-MacherInnen der Siebziger-Achtziger Phase. In seinem Refugium Ashcombe House im westenglischen Seebad Bath hatte Gabriel unter Ausnutzung der allerneuesten Gerätschaften ein komplex gearbeitetes Amalgam geschaffen. Neben Bush hatte Gabriel auch Avantgardistin Laurie Anderson, Police-Drummer Stewart Copeland, World-Music-Größe Youssou N’Dour und Simple-Minds-Kopf  Jim Kerr zu den Aufnahmen gebeten. Ein hochkarätige Auswahl an künstlerischen Persönlichkeiten. Gabriel schätzte sie und verstand es, sie punktuell zu orchestrieren.

Thematisch waren die Songs von „So“ weit gefasst. „Red Rain“ handelt von verweigerten Gefühlen,  „Sledgehammer“ erinnert an den Soul-Titan Otis Redding, den Gabriel sehr schätzt. Die erwähnte Kate-Bush-Nummer „Don’t Give Up“ wurde zur zweiten Single-Kopplung und mahnt den sozialen Zusammenhalt in Zeiten der wirtschaftlichen Depression an. Gabriel, der schon während seiner Zeit bei Genesis die Popmusik immer im ganz breiten Format interpretierte, gelingt es mit „So“ seinen opulenten Wunschkanon so diszipliniert zusammen zu kochen, dass daraus eines der emblematischsten Mainstream-Alben der Mitt-Achtziger wurde.

Durchaus passend, dass seine eher experimentelle Studioarbeit „We Do What We’re Told (Milgram’s 37)“, in der TV-Serie „Miami Vice“ gefeatured wurde. Auch so eine Achtziger-Legende.

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