45 R.P.M. :: von Wolfgang Doebeling

Ein lakonischer Rimshot, ein anonymes Piano, ein rammdösiger Baß: Keine Anstrengung, keine Aufregung, es ist viel zu heiß für heftige Bewegungen. Und dann gesellt sich eine Stimme zum faulen, minimalistischen Groove, schläfrig, sinnlich, sexy: „I’m feelin‘ high, my money’s gone, I’m all alone.“ ERIKAH BADU verfuhrt mit langsamer, lasziver Intensität, „On & On“ (Kedar/Universal) ist auf fast anachronistische Weise selbstreflexiv, der Gesang laid-back und hypnotisch. Selbst der Videoclip, eine Kurzfassung von „The Color Purple“, verzichtet auf Reizattacken und Knalleffekte. Erikah Badu ist HipHop mit Seat-Eleganz und Jazz-Bewußtsein und die Antithese zum Ellenbogen-HipHop etwa einer Mary J. Blige. „My cipher keeps movin‘ like a rollin‘ stone“: kryptische Soul Music, kräftige Seelenmassage, Balsam.

Einer anderen, ungleich chaotischeren Groove-Manie frönen PRIMAL SCREAM auf „Kowalski“ (Creation). Ein Schritt vor, zwei zurück: Bobby Gillespie und seine kopflosen Kohorten sind fast wieder bei “ Scremnadelica“angthng, bei Schleifen-Rhythmik und reiner Sound-Dramaturgie. Der Text ist mystisch, der Gesang ein verzerrtes Flüstern, der Beat unermüdlich, die Melodie nichtexistent Gäbe einen guten Soundtrack ab für ein halluzinogenes Road-Movie oder für die Drogen-Eskapaden eines Hunter S. Thompson und ist wie diese auf Dauer entsetzlich langweilig.

Wie saure Drops schmeckten THE JAZZATEERS vor knapp 15 Jahren, gut gegen Durst nach Frischwärts-Schottenpop von der kratzigen Art. Vergleicht man das neu aufgenommene JHere Comes That Feeling“ (Marina/Indigo) mit einem ihrer Semi-Klassiker von ehedem, sagen wir, „Show Me The Door“, muß man zweierlei schlucken: Amateurhaftigkeit ist keine Phase, sondern eine Gesinnung. Und: Erwachsene Männer können sehr wohl juvenile Musik zelebrieren, allerdings nur mit einem Touch Torschlußpanik.

Wie immer stilvoll und Trash-verliebt sind THE FLÄMING STARS auf „Bury My Heart At Pier 13“ (Vinyl Japan). Eine mysteriöse Schöne, Romanze und Amnesie, enigmatische Tätowierungen und dazu derangierte Link-Wray-Gitarren. Pulp Fiction, aber nicht Tarantino, sondern Jim Thompson.

Nicht weniger geheimnisvoll ist die Lady in „Lacquer“ (All Qty Tuscon) von CA-LEXICO, der Band um Joey Burns und John Convertino von Giant Sand. fon einem „secret place“ ist die Rede, von „danger“ und „disguise“. Und ein waberndes Vibraphon hüllt alles in NebeL „Drape“ auf der B-Seite ist Death Valley-Musik, düster, konzertant, slow motion. Wie die Tindersticks nach der Lektüre von Carlos Castaneda. Spooky.

Ganz auf Rock-Instrumentation und jegliches Dröhnen verzichten WHISKEYTOWN aus Norm Carolina für die vier Cuts einer von Powerpop-Wonderboy Chris Stamey produzierten Doppel-7″ in schönem Foldout-Cover. „Theme For A Trucker“ (Bloodshot/Glitterhouse) ist Honky Tonk mit Respekt und Pedal-Steel-Understatement, „Heart Is Broken“ ein trauriger Walzen dessen Harmonies jene Innigkeit haben, von der die frühen Aufnahmen von Porter Wagoner und Dolly Parton zehrten. Und wie damals, vor 30 Jahren, ist das Material wohl gediegen, aber: it’s the singen, not the song, Ryan Adams und Caitlin Cary heißen die beiden, wehmütig und wonniglich verwoben. Let the moonshine.

Übernächtigt und zugleich geistig umnachtet ist „Thrill Pill“ (Crypt) von den NECESSARY EVILS. Die Cramps, aber rülpsend, würgend, ultraschlecht. Nicht mal low, sondern ganz ohne FL „Not a trace of love“ prahlen die Cryptianer im Pressetext. Not a tmee oftaste either. Verursacht Übelkeit Ist also nicht übel.

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