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BlowingTheFuse- 30 R&B Classics

Unterhaltsame Dokumentation der Jahre 1956 bis I960

Das dritte und letzte 5er-Pack der Rhythm & Blues-Serie von Bear Family, die Jahre 1956 bis i960 dokumentierend, liegt vor, und einmal mehr enthält jede CD neben den populärsten Hits der Gattung ein paar ausgefallenere und hervorragende Schmankerl, die es nie in die von „Billboard“ für diese „race records“ geschaffene Hitparade schafften. Beispielsweise 1956 „Pack Fair And Square“ von Big Walter And His Thunderbirds, den die J. Geils Band 1970 für ihre Debüt-LP aufnahm. Weil der Song auch fest in ihr Bühnen-Repertoire integriert war, brachte der Walter Price nach all den Jahren dann doch noch ein paar Royalty-Schecks ein. Das mit dem Rhythm & Blues darf man semantisch auch hier nicht so streng und eng sehen, denn unter dem Begriff subsumierte man alle möglichen Stile, Doo Wop genauso wie Novelty-Hits (etwa „Stranded In The Jungle“ von den Cadets), Rock n’Roll und Blues, auch frühen Girl-Group-Pop und sogar eine Aufnahme wie „The Twist“ von Hank Ballard und den Midnighters, die der ganzen kurzlebigen Gattung den Namen gab. Die meisten Singles von Elvis schafften es bis i960 auch locker in die Top Ten der R&BHitparade. Was irgendwo noch nachvollziehbar ist. Daß es allerdings das wahrlich nicht sehr rhythm & bluesige „He’ll Have To Go“ von Jim Reeves i960 bis auf Platz 13 brachte, dann wohl eher weniger.

Gemessen an diesen Hitparaden-Notierungen waren die dauerhaft erfolgreichsten Interpreten hier – in genau dieser Reihenfolge – James Brown.

Ray Charles, Fats Domino, Bobby Bland, Aretha Franklin und B. B. King. Die nächsten sechs Plätze in dieser Ewigen Bestenliste belegen Vokal-Ensembles und Sänger, die man nach 1960 mehr mit dem Begriff Soul identifizierte: die Temptations und die Miracles, Jackie Wilson und Wilson Pickett, Sam Cooke und Marvin Gaye. Die R & B-Serie von Bear Family endet aber mit dem Jahr 1960, so dass hier von letzteren nur Jackie Wilson und Sam Cooke mit frühen Klassikern auftauchen. Von Bill Doggets „Honky Tonk“ bis zu „Poison Ivy“ von den Coasters findet man hier jede Menge Nr. 1-Hits der Jahre (von Fats Domino so viele, weil der darauf regelrecht abonniert war), die berühmten Evergreens von „Speedoo“ in der Originalaufnahme der Cadillacs (Nachgeborenen vielleicht eher in der Ry-Cooder-Version bekannt) bis hin zu Ray Charles‘ „What’d I Say“ weithin komplett. Auch ein so berühmtes One-Hit-Wonder-Phänomen wie Phil Phillips With The Twilights, die 1959 mit „Sea Of Love“ für immer in die Pop-Geschichte eingingen, und Buster Brown, der im selben Jahr mit

„Fannie Mac“ ebenfalls einen Nr. 1-Hit hatte, aber mit „Sugar Babe“ drei Jahre später noch mal in die Top 20 kam. Steve Miller, Boz Scaggs und andere Bewunderer haben das nie vergessen und dann selber aufgenommen. Aufnahmen wie „Louie Louie“ von Richard Berry, Slim Harpos „I’m A King Bee“ oder John Lennons Lieblingslied „Just Because“ (von und mit Lloyd Price) sollten in kaum einer ernstzunehmenderen Sammlung fehlen.

Aber die Zahl derer, die sich noch an „Mr. Lee“ erinnern bzw. den als ein grandioses Stück DooWop von den Bobettes schätzen, dürfte sich auf ausgesprochene Kenner und Liebhaber des Genres beschränken. Den hatten fünf Mädel aus Harlem über einen verhassten Lehrer geschrieben und 1957 (Ertegun und Wexler dasselbe Team wie bei Ray Charles) für Atlantic aufgenommen. Die Empfindungen der damals laut Liner Notes-Autor Colin Escott 13 bis 17 (nach anderen Quellen erst 11 bis 13) Jahre alten Mädchen konnten so viele Altersgenoss(inn)en nachempfinden, dass die Single nicht nur Nr. 1 der R&B-Bestseller wurde, sondern sogar bis auf Platz 6 der Pop-Hitparade schoss. Die Geschichte dahinter ist eine eher komische. Das Quintett nannte sich – damals zuerst noch acht Sängerinnen – ursprünglich Harlem Queens, aber der Manager meinte, darunter könne man eine Motorrad-Gang oder Schlimmeres verstehen, und er empfahl darum dringend, sich umzubenennen. Als er mit dem Song zu Jerry Wexler kam, soll der den Mädels angeblich erklärt haben, das mit dem Hass gehe so nicht. Sie müssten diesen Mr. Lee lieben! Die Teenager nahmen das dann wie gestandene Profis auf und waren in dem Jahr weit erfolgreicher als der große Ray Charles.

Jeder der jeweils rund 30 Songs auf den fünf CDs hat seine Geschichte, und Escott erzählt sie kurz und pointiert. Nur hatte nicht jede davon ein Happy End. Der von den Beatles abgöttisch verehrte Larry Williams etwa wechselte nach kurzer, steiler Popstar-Karriere das Gewerbe – und endete als Zuhälter und Dealer. (BEAR FAMILYRECORDS)