Michael Chapman :: Fully Qualified Survivor

Das legendäre Debüt des englischen Folk-Gitarren-Virtuosen

Als die alte Tante EMI 1969 das Harvest-Label gründete, um der Konkurrenz bei Deram, Vertigo und Chrysalis nicht das gesamte nachwachsende Potenzial an „progressiven“ Rockmusikanten zu überlassen, konnte jemand wie Syd Barrett jederzeit mit mehr als nur mildem Fan-Interesse rechnen. Ein Roy Harper hatte Fans bei Led Zeppelin, die ihn gar in einem Song verewigten. Deep Purple sorgten für den nötigen cash flow.

Dagegen erschienen die Alben von Michael Chapman damals praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Den Mann aus Yorkshire hatte man mutmaßlich unter Vertrag genommen, weil der ähnlich wie die von der Konkurrenz verpflichteten Bert Jansch oder John Martyn wenigstens unter Kennern als Koryphäe an seinem Instrument und vorzüglicher Songschreiber galt. Dabei war Chapman, Jahrgang 1941, noch zwei Jahre älter als Jansch, wie der ein Veteran der Folk-Szene, als man ihm in den späteren 60er-Jahren öfter die Gelegenheit bot, auf den in Mode gekommenen Pop-Festivals aufzutreten. In den Liner Notes zur Neuausgabe von „Fully Qualified Survivor“ klagt er, dass man ihn als in der Wolle gefärbten Folkie daheim verlacht habe. Alle seine Bekannten in Leeds kauften Blue-Note- und Riverside-Jazz-LPs, er dagegen sofort nach Erscheinen das Debüt von Bob Dylan.

Erste Lieder über die Einsamkeit des Langstrecken-Folkies findet man schon auf der Debüt-LP „Rainmaker“ (****, BGO/H’Art) – wie auch immer wieder ausgefallene open tunings und melodische Einfälle. Richtige Ohrwürmer wie „You Say“ fielen ihm damals schon ein, fabelhaft produziert von Gus Dudgeon. Dessen Arbeit schätzt Chapman erklärtermaßen deswegen, weil der den Sound seiner akustischen Gitarren optimal einzufangen verstand. Seine psychedelischen Exkursionen auf denselben klingen allemal noch so eindrucksvoll wie die des Kollegen Jorma Kaukonen damals auf der elektrisch verstärkten. Unterstützt wurde er hier von angehender Prominenz wie Danny Thompson, Clem Clempson und Aynsley Dunbar. Zu solcher Virtuosität, wie man sie bei diesem Debüt etwa beim melancholischen „No One Left To Care“ oder dem Instrumental „Thank You P. K. 1944“ bewundern darf, hatte es Richard Thompson damals noch nicht gebracht!

Für pyrotechnische Kunststücke an der E-Gitarre (!) engagierte Gus Dudgeon bei der nächsten LP Mick Ronson. Dessen Spiel erinnert etwa bei „Stranger In The Room“ an niemanden mehr als an John Cipollina. Obwohl erklärter Chapman-Fan, empfand John Peel einen Song wie „Aviator“ wegen der Beiträge von Paul Buckmaster (Cello) und Johnny Van Derek (Violine) als unnötig überproduziert. Aber das passte bei kleinen Elegien wie „March Rain“ schlicht perfekt (viel melancholischere Lieder hat auch Roy Harper nicht geschrieben), und bei diesem Spagat zwischen Folk und Ragtime vermittelte Chapman erstmals eine Ahnung davon, dass er mal zu einer großen Koryphäe in Sachen Americana werden würde. Seine Begeisterung für Motown und Westküsten-Psychedelica, Country Music und Delta-Blues war mal unverkennbar, mal verklausulierte er sie dann aber auch raffiniert. Wie exzellent das alles bei Trident in London produziert war, macht das neue Remaster nur noch überzeugender sinnfällig. (light in the attic/cargo)

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