A-ha: Morten Harket über den Unterschied der „Letzten Generation“ zu seiner Generation

Morten Harket über Platte und Film „True North“, das Große Pendel der Natur und die Versäumnisse seiner Generation

Mit „True North“ veröffentlichten A-ha 2022 ihr erstes Album seit sieben Jahren: eine Liebeserklärung an die norwegische Heimat, aber auch eine Mahnung an die Welt, schonender mit der Natur umzugehen. Parallel bringen Morten Harket, Pål Waaktaar-Savoy und Magne Furuholmen den „True North“-Film ins Kino, eine Mischung aus Doku und Spielfilm, der die Band gemeinsam mit dem Arctic Philharmonic Orchestra bei der Aufnahme der Platte präsentiert. Zu den zwölf balladesken Songs werden Bilder der rauen See gezeigt, dazu junge Küstenbewohner, die sich verlieben oder als alte Menschen sterben und dann auf dem Meer beigesetzt werden. Die drei A-ha-Musiker wiederum sinnieren bei nächtlich-kalten Spaziergängen über ihre Nähe zur Flora und Fauna, wärmen sich an Lagerfeuern. Ein Gespräch mit Harket, 63, über die Zeit, die uns noch zur Erdenrettung bleibt.

Im Jahr 1986 sangen Sie beschwingt „We’re Looking for the Whales“, in „Mother Nature Goes To Heaven“ von 2009 klangen Sie betrübter. „True North“ wirkt wie ein Abgesang auf den Planeten.
A-ha reagieren nur auf das, was um uns herum passiert. Es ist so weit, wir haben die Quittung für unser Verhalten gegenüber der Umwelt bekommen. Wir ahnen seit mindestens 40 Jahren, was passieren kann. Ich bin schon seit Jahren im Umweltschutz engagiert. Ich möchte nicht sagen, dass die Leute nicht wissen, dass es uns immer schlechter geht – es ist vielmehr so, dass sie nichts tun wollen. Ob wir mit den Jahren weiser geworden sind? Nein. Ängstlicher? Das auf jeden Fall. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, die Erde zu retten. Es geht hier um das Große Pendel.

Was ist das?
Das Große Pendel der Natur. Darum, dass es wenig schwingen sollte. Für hunderttausende von Jahren hat es sich kaum bewegt – da ging es der Erde gut. Mit der Eiszeit hat es sich äußerst stark bewegt. Innerhalb der letzten zehntausend Jahre gab es weniger globale Wetter-Extreme, eine Verlässlichkeit, die der Mensch für seine Bedürfnisse zu nutzen wusste, mit dem Ausbau der Zivilisationen. Nur, dass der Mensch nun selbst das Pendel zum Schwingen bringt, die Extreme hervorruft. Damals konnte man die Jahreszeiten lesen, sie boten uns Verlässlichkeit. Heute hat sich das Wetter davon frei gemacht.

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Der „True North“-Film zeigt tauchende Wale. In Norwegen ist der Walfang zu kommerziellen Zwecken erlaubt. Finden Sie das legitim?
Der Walfang zeigt uns, wie so viele Dinge, die schieflaufen, dass die Spezies Mensch ihren Platz in der Natur einfach nicht verstanden hat. Walfang verweist auf das noch größere Problem: dass wir jede Tierart ausbeuten, von der wir uns Gewinne versprechen. Selbstverständlich bin ich gegen die Waljagd.

Was tun A-ha dafür, bei Tourneen klimafreundlich zu reisen und aufzutreten?
Auch hier geht es um ein größeres Problem. Unsere Regierungen, derer Vertreter von uns Mandate erhalten haben, müssen einschneidende Entscheidungen treffen. Was mir Angst macht, ist die Aufspaltung unserer Weltgemeinschaft, weil wir Klima-Prognosen unterschiedlich deuten. Wenn das, was wir „der Westen“ nennen, oder Europa, nicht mehr zusammenspielt, wir die Kosten für die Bereinigung von Naturkatastrophen nicht mehr aufbringen können … die Natur macht einen Schlag aus ihrem Handgelenk, und ein Drittel des Landes steht unter Wasser.

Aber eines hat sich gebessert: Wer sich zu Beginn Ihrer Karriere 1985 als Umweltaktivist darstellte, wurde oft verspottet – „Pop und Politik gehören nicht zusammen“. Heute loben wir jeden Musiker, der sich für die Natur einsetzt.
Ach, ich hatte nie ein Problem mit Kritikern, die sagten: Musiker und ihre Bla-Bla-Welthaltung! Aber ich bin nicht damit einverstanden, dass Leute einfach nicht auf die Wissenschaft hören. Und ich bin nicht damit einverstanden, dass Großkonzerne Wissenschaftler für gefällige Studienergebnisse bezahlen. Wir drehen der Natur den Rücken zu. Dabei sollte die Natur doch unser Rückgrat sein.

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Der Song „You Have What It Takes“ richtet sich an die Generation Greta Thunbergs, die den Klimawandel aufhalten will. Haben Sie die Älteren schon abgeschrieben?
Natürlich sieht es ganz danach aus, dass die Menschen meiner Generation versagt haben. Schließlich leben wir, die wir die Macht ausüben, einfach weiter wie gehabt. Was wir gestern taten, tun wir heute noch. Es muss jetzt alles schnell gehen, und wir müssen Kosten und Konsequenzen auf uns nehmen. Ich kann das Problem nachvollziehen: In der Menschheitsgeschichte hat sich die Menschheit noch nie zusammengerauft. Aber die Kosten für die Behebung von Schäden durch Naturkatastrophen würden doch kolossal höher sein.

In Deutschland gibt es die „Letzte Generation“, junge Demonstranten, die sich aus Protest gegen die Klimapolitik auf dem Asphalt festkleben und Staus verursachen, um Politiker zum Handeln zu zwingen.
Darauf weiß ich keine Antwort. Aber ich weiß eine Antwort auf das politische Handeln meiner Generation, diejenige, die sich nicht auf dem Asphalt festklebt. Die Antwort lautet: Unser Handeln ist nicht okay. Wie könnten wir uns anmaßen, diesen jungen Menschen zu sagen: Halt, euer Handeln ist nicht okay!? Es sieht eher danach aus, als ob die Dinge eskalieren. Es wird hässlich werden.

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