Beck

„Nein, eine besondere Affinität zu den 90er Jahren hat ‚Mutations‘ sicher nicht Die Songs existieren sozusagen… outside of town – äh, out of time wollte ich sagen. Du mußt entschuldigen, mein Kopf ist etwas matschig – wir waren Tag und Nacht im Studio.“ (Obwohl „Mutations“ erst unlängst erschien, arbeitet Beck bereits verbissen am nächsten Album.) Auch wenn er auf der Hipness-Skala ganz oben rangiert, auch wenn er dem Zeitgeist immer eine Nasenlänge voraus scheint, klingt „Mutations“ ganz so, als wäre es 1966 veröffentlicht worden. Mit Co-Produzent Nigel Godrich (der bei Radioheads „OK Computer“ an den Reglern saß) haben Beck und Band in 14 Tagen 14 Songs dingfest gemacht, die fast wie ein Remake von Pink Floyds „The Piper At The Gates Of Dawn“ klingen: Was zunächst banal und vertraut wirkt, erweist sich beim zweiten Hören als surreal und beunruhigend.

Wie ist es erklärbar, daß „Mutations“ so viel konventioneller klingt als alles, was Du bislang gemacht hast?

Ich kam von der „Odelay“-Tour zurück und hätte wohl besser mal Urlaub gemacht Aber da ich seit Ewigkeiten nicht mehr im Studio war – von „Deadweight“ (auf dem „Lebe Lieber Ungewöhnlich“-Soundtrack) mal ausgenommen -, kribbelte es mir einfach in den Fingern, die eingespielte Band ins Studio zu bringen und einen kreativen Schnellschuß loszulassen. Ich hatte ’ne Menge Songs in der Schublade, die alle was ruhiger, nachdenklicher und folkiger als“Odelay“ waren. Und als ich zu grübeln begann, wer für das Material der richtige Produzent sei, kam mir Nigel in den Sinn. Er war gerade auf dem Rückweg nach England, aber wir überredeten ihn, noch ein paar läge dranzuhängen. Es war eine Nacht- und Nebel-Aktion – ich kannte ihn nicht mal persönlich.

Wieviel Songs sind so entstanden?

„Cold Brains“ und ein paar andere Tracks, die nicht auf dem Album landeten – alles aufgenommen und abgemischt an einem Tag! Es war großartig. Dummerweise hatte Nigel seinen Urlaub gebucht, aber gerade, als ich die Flinte ins Korn werfen wollte, rief er an: „Ich hab abgesagt. Wir haben 14 Tage.“ Wir beschlossen, pro Tag einen Song zu machen und gleich abzumischen – keine Nabelschau, kein Rumdoktern. Und es wurde trotzdem ein richtiges, rundes Album daraus.

Wenn man Instrumente wie die Sitar hört, hat man fast den Eindruck, ab hättest Du ein akustisches Zeitdokument abliefern wollen.

Sie klingen einfach phantastisch! Natürlich kann ein Schlaumeier kommen und sagen: „Sitar ist retro, Sitar erinnert mich an die psychedelischen Platten der 60er Jahre.“ Dabei ist die Sitar natürlich viel, viel älter, und sie hat zu jeder Zeit, an jedem Ort gut geklungen. Ab ich jünger war, konnte ich nie von dem Sound einer Delta-Blues-Gitarre genug bekommen, von diesem komplexen, klagenden Klang, der für mich zur Quelle der Musik zu fuhren schien. Wir haben versucht, diesen Klang halbwegs dezent einzusetzen, haben ihn im Mix etwas zurückgenommen, damit…

…er nicht wie ein penetrant aufgesetztes Zitat wirkt?

Genau. Er sollte integraler Bestandteil des ganzen Klangteppichs sein.

Was versteckt sich hinter dem Albumtitel „Mutations“?

Der Titel reflektiert die Musik auf diesem Album. In gewisser Weise haben wir auf Vergangenes zurückgegriffen, aber nicht – wie Du richtig gesagt hast – in Form eines Zitates. Es ist auch keine puristische Vorgehensweise: Natürlich lassen sich bestimmte Elemente als „Countryrock“ oder „Folkrock“ identifizieren, aber selbst wenn du’s nicht bewußt hörst, entstand diese Musik eben in einer Zeit, als Hip-Hop, Drum’n’Bass und all die anderen Zwitter im Umlauf waren. Unweigerlich schlagen sich diese Einflüsse in meiner Musik nieder. Insofern sind für mich „Mutations“ auch etwas uneingeschränkt Positives – und nicht etwa eine Anormalität oder Mißbildung.

Täusche ich mich da – oder zieht sich durch das gesamte Album so etwas wie resignierende Erschöpfung?

Das ist leider wahr. (lacht) Das muß wohl auf die Tourneen zurückzuführen sein – wobei ich bestimmt keine Songs über das Leben on the road zu schreiben gedenke. Es hat aber sicher auch mit den Verschleißerscheinungen unserer Kultur zu tun. Ich hasse all diese dräuenden Millenium-Beschwörungen, aber es läßt sich nicht leugnen, daß es gegenwärtig wirklich so was wie eine Endzeit-Stimmung gibt.

Kommen sich Deine experimentelle Ader und das Faible für traditionelle Musik nicht manchmal in die Quere?

Es gibt in meiner Musik zwei Elemente, die sich aus entgegengesetzten Richtungen einander langsam nähern. „Mellow Gold“ war ja eigentlich das Nebenprodukt einer eher folkigen Musik, und als Geffen „Mellow Gold“ veröffentlichte, fragten sie mich, ob ich das tatsächlich unter meinem Namen rausbringen wolle; es war ihnen bewußt, daß es mit meiner früheren Musik wenig zu tun hatte. Insofern könnte man „Mutations“ als neuerlichen Seitensprung, als „Solo-Album“ bezeichnen goingsob front myself. (lacht) Obwohl ich natürlich versuche, diese beiden musikalischen Ausgangspunkte zueinander finden zu lassen.

Wie paßt das kommende Album in dieses Bild?

Es wird wieder völlig anders sein. Die Intention von „Mutations“ war es, eine Performance einzufangen. Es sollte klingen, wie’s tatsächlich war: Eine Gruppe von Leuten sitzt in einem Zimmer, macht Musik und nimmt alles live auf. Daß meine Musik früher so atomisiert und zusammengeflickt wirkte, war ja nicht nur Absicht. Ich mußte mit den Mitteln arbeiten, die mir zur Verfügung standen – Computer und Technologie. Als wir „Loser“ aufnahmen, war das aufregendes Neuland; inzwischen tummeln sich dort Hinz und Kunz. (lacht) Nein, ich denke, die Neue wird mehr so was wie ein Party-Album werden.

Und wie wird die Party aussehen?

Das wird sich noch zeigen. Vor allem, ob es eine Party ist, auf die die Leute wirklich Bock haben. (lacht)

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