David Sylvian

Weitab vom Trubel der Popszene hat sich der 45-jährige Brite – nach den Erfolgen seiner Band Japan in den frühen 80er Jahren – einen exzellenten Ruf als musikalischer Esoteriker und Privatmystiker erworben. Nach einer Werkschau vor zwei Jahren lief sein Vertrag mit Virgin inzwischen aus. Mit seinem Bruder Steve Jansen hob Sylvian nun das Label Samadhisound aus der Taufe. Während seine frühen Alben wieder veröffentlicht werden, ist Sylvians experimentelles Album „Blemish „derzeit nur per Internet erhältlich.

Wie viele CDs kann man über das Internet eigentlich absetzen?

Ich konnte es kaum glauben, aber wir haben weltweit in nur einem Magazin eine Anzeige geschaltet – und 20 000 Alben verschickt! Das macht Mut.

Das eigene Label, ein neues Studio, verheiratet, gesunde Kinder: So viel Glück gibt es doch wohl gar nicht?

(lacht) Stimmt, das hört sich gut an. Allerdings habe ich eine harte Zeit hinter mir. Und ich stehe finanziell mal wieder mit dem Rücken zur Wand.

Zu wenig Geld und Druck der Deadline ziehen sich wie ein roter Faden durch deine Karriere.

Ich bin nicht übermäßig beunruhigt. Eigentlich fühle ich mich extrem gut, da ich mein eigener Herr bin. Obwohl ich jetzt viel mehr Geschäftsmann bin als vorher, ist Geld eher in den Hintergrund getreten. Früher saß ich in Meetings, die Plattenfirmen wussten nicht, wohin mit mir. Wir haben unendlich viel Energie verschenkt. Jetzt sind wir ein kleines Team: schnelle Entscheidungen und kurze Wege! Trotzdem bedeutet das Label für mich nicht, nur noch exklusiv dort zu veröffentlichen.

Ist das auch der Grund, weshalb du in nur sechs Wochen „Blemish“ einspielen konntest?

Nicht nur. Ich war immer schnell im Schreiben. Nur die Aufnahmen zogen sich hin. Die aktuellen Songs brauchten einfach keine spezielle Nachbearbeitung. Sie sollen roh, fragil und irgendwie unfertig klingen.

Die Sylvians sind in den letzten Jahren von Minneapolis ins Nappa Valley und nun ins südliche New Hampshire gezogen. Wie gefällt es der Familie so einsam im Wald?

Großartig. Wir kannten den Ort schon durch viele Besuche. Schließlich bot sich die einmalige Chance, ein einsames Haus zu kaufen, ja sogar ein Studio in die Hütte zu bauen. Mein Lebenstraum, obwohl ich ein Stadtmensch bin und das Treiben dort vermisse. Nun fahren wir einmal im Monat nach New York oder Boston. Das ist okay. Meine Kids lieben es hier, die Schulen sind sehr gut und ich kann in Ruhe arbeiten.

Das ist nicht die ganze Wahrheit.

Stimmt. Mir ging es die letzten Jahre nicht so gut Ich fühlte mich leer, eine existenzielle Krise. Leider wusste ich schon, was auf mich zukommt, denn Ende der 80er Jahre war ich schon einmal am gleichen Punkt. Glücklicherweise war ich besser gewappnet. Meine Familie war ein großer Rückhalt Zudem habe ich in der Zwischenzeit sehr viel über mich gelernt.

Wie bist du aus der Krise herausgekommen?

Das würde hier etwas den Rahmen sprengen, aber mir hilft einfach, dass ich mich schon seit vielen Jahren mit allen Seiten meiner Persönlichkeit beschäftige. Ich habe keine Angst vor depressiven Stimmungen, Melancholie oder ähnlichen Gedanken. Meine Musik hilft mir, eine Art Karthasis zu durchleben, eine innere Reinigung. So empfinde ich meine Songs im Gegensatz zu anderen oft gar nicht als düster. Aus der Beschäftigung mit dem eigenen Ich schöpfe ich Kraft.

Die Berichte über deine unglückliche Jugend und Zoff mit den Eltern sind bekannt. Du bist jetzt selbst Vater. Siehst du deine Eltern in einem anderen Licht? Mein Verhältnis zu den Eltern war immer gut. Spannungen sind normal, ja wünschenswert. Die Presse hat das schlicht übertrieben. Ich merke durch meine Kids nur das wundervolle Gefühl der Verantwortung. Trotzdem bin ich manchmal tagelang nicht ansprechbar, wenn ich Songs schreibe. Ich brauche meine innere Balance und versinke in der Musik wie in Meditation. Dann kommt man schwer an mich ran.

Erst gab es dein persönliches „Best Of“, „Everything & Nothing“, jetzt kommen deine alten Alben wieder auf den Markt. Ein wenig stolz? (lacht) Ganz ehrlich: Ich höre die alten Japan-Sachen nicht mehr! Sie interessieren mich nicht Stolz ist mir fremd. Schön, wenn sich noch Menschen dafür erwärmen können. Um es vorweg zu nehmen: Nein, es gibt keine Japan-Reunion!

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