Der Freizeitmagier

Enigma-Mastermind Michael Cretu über Duftkerzen auf Ibiza, das Eighties-Revival und die Arbeitsethik von Mike Oldfield

Einer dieser komischen Fälle: 35 Millionen Platten hat Michael Cretu, 49, mit seinem Projekt Enigma verkauft – trotzdem kennt man keinen, der eine davon hat. Den deutschen Synthie-Pop der Achtziger hat er mit Produktionen für Moti Special und Sandra geprägt, eben ist sein sechstes Enigma-Album „A Posteriori“ erschienen. Und von Ibiza aus, wo er seit über 15 Jahren mit Ehefrau Sandra lebt, hat er einen erstaunlich guten Überblick behalten.

Herr Cretu, sind Sie denn gefragt worden, ob Sie mit Enigma den Soundtrack zum „Da Vinci Code“ machen wollen? Das hätte so schön gepasst!

Nein. Aber seit der Erfahrung mit dem Film „Sliver“ will ich sowieso keine Musik mehr für amerikanische Studios machen. Erstmal kochen die nicht mal mit warmem, sondern mit megakaltem Wasser. Und zweitens: Bis auf MGM gehören alle Studios heute irgendwelchen Investoren und Konsortien. Jeder hat Angst um seinen Job, der eine sagt Ja, der andere Nein, und du stehst wie ein Depp in der Mitte. Ich hab einfach keine Zeit für so einen Schwachsinn.

Auf Ibiza sind Sie von solchem Schwachsinn ja weit entfernt, wohnen Sie deshalb dort?

Im Endeffekt ist mir das recht, aber es war reiner Zufall. Meine Frau hat im Winter immer so gefroren und sagte: Lass uns in den Süden gehen! Und jetzt lebe ich hier so im Niemandsland unter spanischer Flagge—ich bin sicher, dass mir Enigma in London, Berlin oder Paris nie eingefallen wäre. Man unterliegt doch immer der bestimmten, unsichtbaren Doktrin eines Landes.

Wie finden Sie denn zurzeit die deutsche Popmusik?

Diese Rosenstolz oder Silbermond oder vor ein paar Jahren Echt – das Niveau der Produktionen, die Art der Musik, das ist um Klassen besser als die deutsche Musik, die existiert hat, als ich das Land verlassen habe. Woran das liegt? Weiß ich nicht. Das ist eine neue Generation, die mit diesen ganzen Medien aufgewachsen ist und sich nicht nur von „Disco“ mit Ilja Richter inspirieren lässt.

Ihren kreativen Prozess beschreiben Sie immer mit Wörtern wie „Trance“, „geistiger Schwebezustand“…

Ja, aber das klingt ein bisschen hochgestochen. Nicht, dass Sie sich vorstellen, ich laufe da immer mit „Ommm!“ durchs Haus, um die Duftkerzen anzuzünden, und um sechs kommt der große Magier. Ich muss einfach meine totale Ruhe haben, damit ich mich in eine bestimmte Stimmung versetzen kann. Dann fällt es mir leicht, die richtigen Sounds zu finden.

Ist das wie Büroarbeit?

Nein, nein! Ich habe mal mit Mike Oldfield gearbeitet – der Typ begann um Punkt zehn, und um Punkt 17 Uhr hat erden Bleistift fallengelassen, als ob er beim Einwohnermeldeamt wäre. Da war ich schon ziemlich entsetzt! Nein, ich bin kein Bürokrat. Ich sehe mich gern als mikroskopisch kleinen Asteroiden, der elliptisch um die Erde kreist. Manchmal auf Kollisionskurs, und manchmal weit entfernt von den Bedürfnissen der Menschheit.

Gefallt Ihnen das denn, wenn Enigma immer als Musik für Naturfilme und Mystery-Trailer genommen wird?

Aber natürlich. Das passt sehr gut, und jeder Künstler freut sich doch, wenn er seine Musik hört. Warum soll ich da sauer sein? Wenn der Discovery Channel das als Hintergrund für das Leben des Delphins oder was auch immer nimmt, das kannst du sowieso nicht beeinflussen.

Wie finden Sie denn das Revival der 80er-Jahre-Musik?

Ich bin kein nostalgischer Mensch, nicht im Entferntesten. Ich stöbere auch nie in Fotoalben meiner Jugend. Als ich Sandra kennengelernt habe, wollte sie Fotos von mir sehen. Ich hab gesagt: Ja, ich hab eins! Und hab ihr meinen Pass gezeigt.

Wie finden Sie es dann, wenn Sandra auf Eighties-Parties auftritt?

Pffff… mir gibt das nichts. 20 Jahre später denselben Salat noch mal hören – also, ich weiß nicht. Das hatte alles damals seine Berechtigung, aber in die heutige Zeit passt es in dieser Form einfach nicht mehr. Die Vergangenheit ist nur dazu wichtig, dass man seine Lehren aus ihr zieht.

Nächstes Jahr werden Sie 5O – wäre da nicht Zeit für einen Blick zurück?

Garantiert nicht. Ich muss selbst immer nachrechnen, wie alt ich bin. Mein Alter interessiert mich nicht. Das ist ein rein statistischer Wert.

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