Die Doris Day aus Moabit

STAUBKÖRNER FLIRREN im matten Bühnenlicht – dann setzt eine Posaune ein. Louise Golds nachgezogenen Augenbrauen schlagen einen perfekten Bogen, das blonde Haar liegt in formvollendeter Wasserwelle um ihren Kopf. „Im gonna be lost forever if I don’t have love“, singt sie mit knallroten Lippen. Es ist, als wäre man aus der Zeit gefallen, wenn man Louise Gold und ihr Quarz-Orchester hört oder sieht: Sängerin Gold versucht sich in der kühlen Eleganz der späten Marlene Dietrich, ist keine frivole Lola, die ihre strammen Beine über dem Klavier zusammenschlägt. Komponist, Arrangeur und Partner Hans Quarz gibt den verruchten Mephisto.

Louise Gold & The Quarz Orchestra sind ein Sextett – auf ihrem Album „Debut“ arrangieren sich Gitarre, Bass, Schlagzeug, Klavier und Quarz‘ Posaune um Golds Stimme. Die ist mal sanft wie im Schlaflied für Teenager „Hush! Hush! Sweet Baby!“, mal schäumt sie wie bei „Footloose Fancy-Free“ in überbordenden Tremolos (schließt man die Augen, sieht man Gold dazu eine opulent ausgeleuchtete Showtreppe heruntersteigen) – manchmal schweigt sie auch, wie bei dem Instrumental „Lullaby Of Moabit“, bei dem sie Hans Quarz die Verführung überlässt.

Während sich Quarz immer schminkt und den 20er-Jahre-Style pflegt, indem er Hosenträger über Feinripp-Unterhemden trägt, legt Gold außer Dienst nur wenig Make-up auf. Die blonden Haare hat sie zum Zopf zurückgebunden, einzig die nachgezogenen Augenbrauen erinnern an Weimarer-Republik-Ästhetik -die Sängerin wirkt jenseits der Bühne kein bisschen divenhaft, Louise Gold, eine robuste Berlinerin Mitte 30.

„Ich bin Ossi“, kategorisiert sie sich freimütig, „geboren in Potsdam.“ Als Kind liebt sie Musicals, unproblematischer West-Input, den das DDR-Fernsehen gerne und häufig zeigt. Louise klebt geradezu vor dem Fernsehgerät: „Ich war besessen von Doris Day.“ Als Teenager singt sie jedoch erst mal in einer Punkband; im Zimmer des besetzten Hauses, das sie bewohnt, stehen keine Swing-Platten. Mit 18 geht sie nach Berlin, für ihr erstes Zimmer in Friedrichshain bezahlt sie 80 Mark. „Damals hab ich in einigen Bands gesungen, Gitarre gespielt und angefangen, eigene Songs zu schreiben.“ Nach ihrer Punkrockphase ist Louise Gold Teil des TripHop-Projekts Recorder. Doch schließlich findet sie zurück zu Doris Day, beschäftigt sich mit Jazz, hört Nina Simone und Ella Fitzgerald. Und reist nach New York. „Ich blieb ein paar Monate lang und habe mich inspirieren lassen“, erzählt Louise. „Aber die Stadt ist stressig und wahnsinnig teuer. Ich habe viel Jazz gehört – richtig arbeiten wollte ich dort nicht. Ich sehe mich als Preußin. Berlin, das ist Heimat für mich.“

Der Posaunist Hans Quarz spielt sich derweil durch deutsche und internationale Jazz-Keller und heuert später als Arrangeur auf einem Schiff an. Zurück in Berlin, trifft er auf Louise. Das Paar eint die Liebe zu alten Filmen und die Verehrung für den „James Bond“-Komponisten John Barry: Der brausende Höhepunkt ihres Stücks „Boys Are Heroes“ setzt einem Bonds Pistolenlauf auf die Brust, im Hinterkopf dämmern die berühmten Takte der Titelmelodie.

Natürlich kann man Quarz und Gold vorwerfen, auf der Retro-Welle zu surfen – sie sind selbstbewusst genug, das mit einem Schulterzucken abzutun: „Die Standards sind gut, aber mir ist es wichtig, eigene Sachen zu machen“, sagt Louise. Für den Sound ihres Albums verzichteten Gold und Quarz konsequent auf die Hilfsmittel der Moderne. „Wir haben alle Stücke mit 50er-Jahre-Equipment und in Echtzeit aufgenommen, mit dem ganzen Ensemble – nichts wurde nachträglich gemischt oder geschnitten.“ Und deshalb klingt Louises Stimme auf „Debut“ so unmittelbar, als flüsterte sie einem ins Ohr, und so authentisch, als stünde sie dabei auf der Bühne des legendären Adlon – damals, als selbst die Zeit noch golden geglänzt haben soll.

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