Eight Miles High

Zwar geben bewußtseinsverändernde Drogen und elektronische Gerätschaften sicher schräge Bettgenossen ab, doch ohne die Fusion von LSD und Mescalin mit Fuzz Box, Wah Wah-Pedal und Echoplex-ta^eloop hätte es kein psychedelk tnovement gegeben. Anno 1966 aber waren die Drogen allgegenwärtig, die kleinen, schwarzen Zauberkästchen in jedem Gitarrenladen zu bekommen und die Zeiten einfach reif für etwas musikalisch Gewagteres als Folk, Beat oderRock’n’Roll.

Urplötzlich hießen Bands nicht mehr bieder Dave Clark Five oder Freddie and the Dreamers sondern The 13th Floor Elevators, The Magic Mushrooms oder ? and the Mysterians, und statt „Love Me Do“ oder „Chapel Of Love“ besang man nun den „March Of The Flower Children“ (Seeds) oder verkündete anspielungsreich „I Had Too Much To Dream (Last Night)“ (Electric Prunes).

Die durch die Fuzz Boxen gejagten Gitarren jaulten am Limit, aus ehedem radiofreundlichen Popsongs wurden wahre Orgien, wie etwa „Strychnine“ von den Sonics aus Seattle, und die Outfits der Bands gerieten immer schriller. So trugen die Jungs der Music Machine („Talk Talk“) je einen schwarzen Lederhandschuh, und die Mystiker der Count Five („Psychotic Reaction“) gemahnten in ihren knöchellangen, schwarzen Capes eher an eine Gruppe von Sargträgern denn an eine Psychedelic-Band.

Zwar versuchte das Plattenfirmen-Establishment mit pseudopsychedelic acts wie den Lemon Pipers oder den Grass Roots die Bewegung zu verwässern, doch als die Grateful Dead 1967 ihr gleichnamiges Debüt und Jefferson Airplane ihr Zweitwerk „Surrealistic Pillow“ veröffentlichten, da trat das psychedelic movement seinen endgültigen Siegeszug an.

Auf fruchtbaren Boden fiel die Saat natürlich auch in Großbritannien, wo Michael Hollingshead, der Mensch, der Timothy Leary auf den LSD-Geschmack brachte, bereits 1965 in London das erste psychedelic centre eröffnet hatte. Auch hier tummelten sich auf einmal Bands mit Namen, auf die jeder Science-fiction-Autor stolz gewesen wäre: Battered Ornaments, Dantalian’s Chariot, Mabel Greer’s Toyshop, Sensory Armada, Peanut Rubble – und selbstverständlich The Pink Floyd.

Die Psychedelia-Pioniere lösten so ganz nebenbei eine Initialzündung bei der britischen Pop-Elite aus, denn Jagger, Lennon, Townshend und Co. waren längst über ihren jeweiligen Dr. Feelgood ins Acid-Wunderland vorgedrungen. Und so wurden Songs wie „Over Under Sideways Down“ von den Yardbirds, „Rain“ von den Beatles, „We Love You“ von den Rolling Stones oder „Hall Of The Mountain King“ von The Who zu Reisebeschreibungen aus einer geheimnisumwobenen Galaxie.

Ob Animals, Trafik, Pretty Things, Move oder Small Faces, alle warfen sich den Kaftan um, behängten sich mit Glöckchen und gingen – mal mit, mal ohne Sitar – auf musikalische Raumfahrt.

Was, mit einiger Verspätung und unter der Federführung eines gewissen Rolf-Ulrich Kaiser (siehe RS 4/97), in Deutschland diverse Bands mehr recht als schlecht auch versuchten. Einige Kaiser-Produktionen haben ihren heutigen Kult-Status sicher verdient, doch die Alben, die sein letztes Aufgebot, die „Kosmischen Kuriere“, auf die Menschheit losließen, gerieten – je nach LSD-Pegel – eher unfreiwillig komisch denn kosmisch.

Breiten wir den Mantel des Vergessens und des Schweigens über Kraut-Psychedelia à La Jane, Birth Control oder Amon Düül (die ohne II), denn die Band, die uns bereits 1965 mittels kosmischer Klänge und Lightshow Ohren und Augen öffnete, hieß nun mal Nektar; ein hier ansässiges Quartett britischer expatriates.

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