Ein neuer Anlauft die zweite Karriere der Songschreiberin Maria McKee

Auf dem Cover des neuen Albums „Live Is Sweet“ ist – zweite Reihe, zweiter von links ein Verwandter von Maria Mc-Kee zu sehen: Onkel Frank mußte vor vielen Jahren in Frauenkleider schlüpfen, um mit einem Wanderzirkus tingeln zu können. Daß die Bande zu diesem Mann über bloßes Blut hinausgeht, verwundert nicht Schließlich hat sich auch die 31jährige Songschreiberin immer auf die Kunst der Verstellung verstanden. Und ähnlich notgedrungen. „Life Is Sweet“ wird als Neubeginn verkauft, als mühsam erarbeitete Identität, die sich endlich freischwimmen konnte.

Das mag stilistisch betrachtet stimmen. Auch spielte Maria McKee erstmals alle Gitarren selbst ein, was ihr „einen neuen Mittelpunkt gegeben“ habe, um den sie als Performerin kreisen könne. Doch rückblickend betrachtet, war natürlich die gesamte Karriere des früheren califomia wonderprl eine einzige Abfolge von Neuanfangen. Oder „eine Serie von Nervenzusammenbrüchen und Leuten, die mich schlecht beraten und mir Dinge eingeredet haben“. Und dann berichtet sie angewidert von diesem Manager, dessen größte Sorge es gewesen sei, daß seine Klientin auf Tournee zuviel Gewicht zulege. McKee: „Er rief andauernd den Tour-Manager an und fragte nicht: Wie war die Show? Wie lief das Radio-Interview? Nein, er fragte nur: Sah sie fett aus auf der Bühne.“ Später heuerte der Mann sogar einen Video-Macher an, der auf korpulentere Frauen spezialisiert ist.

Distanziert und ironisch, aber auch mit dem lästigen Pflichtbewußtsein einer schönen High-School-Queen, die beim Rauchen auf der Jungstoilette erwischt wurde, läßt Maria McKee heute das mit der Hypothek des großen Hypes belastete Kapitel Lone Justice Revue passieren. „Ein merkwürdiger Platz“ sei das damals gewesen für eine 21jährige, die „leicht zu beeindrucken“ war und „niemandem“ vertraute. Von „Erwartungen einer Erwachsenenwelt“ spricht sie, die sie „nicht erfüllen“ konnte. Von einer Rock-Band, die „auf Arena-Format getrimmt werden“ sollte. Als der von allen Seiten prophezeite Erfolg ausbleibt, quälen sie Selbstzweifel. Aber: „Als gibt es nichts Geschmackloseres als Selbstmitleid. Dafür ist einfach keine Zeit“ Bruce Brody kichert Sonst schweigt er und grinst Der ehemalige John-Cale- und Patti-Smith-Keyboarder ist die kreative Konstante in McKees Berg- und Talfahrt – ein treuer Husar, der seiner Arbeitgeberin bescheinigt, sie wäre bestimmt „auch eine gute Rechtsanwältin“ geworden. Nach Dublin, wo sie vorübergehend die Boheme der Stadt bereicherte, flüchtete McKee allerdings allein. Meine Vermutung, sie würde dort ohne diesen unvermuteten Hit im Vorruhestand die Pubs beglücken, bestätigt sie. Ja, ‚Show Me Heaven‘ hat mich zurückgeholt Ich ließ mich gehen in Dublin, war einfach müde und wurde wirklich fett Doch dann kam der Hit und ich sagte mir „Hm, vielleicht hast du noch einen Platz da draußen? 1 „Noch bevor sie das Heimweh wieder nach L-A. trieb, verfaßte sie einige Songs, die auf die radikale Häutung von „Live is Sweet“ hindeutete. Und wie kann eine gereifte Maria McKee heute mit ihrer Verantwortung als Songschreiberin umgehen? Was, wenn die ersten Briefe kommen und Lebenshilfe von ihr erwarten? Während Brody kichert, ergeht sich McKee in gespielter Angst Nein, sie sei sicher „nicht bereit“ für sowas. „Aber wenn es dann soweit ist: „I´ll take it!“

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