„Erschütternd und entlarvend“ – Die beschämenden Szenen beim Finale der Berlinale

Mit antiisraelischen Bekundungen enden in der Hauptstadt die Filmfestspiele.

Am Samstagabend wurden im Berlinale Palast die Preisträger der 74. Internationalen Filmfestspiele Berlin verkündet. Doch mehr Aufsehen als die Entscheidungen der Jury, unter anderem eine Kunstraub-Doku, ein sprechendes Nilpferd und eine Alien-Satire auszuzeichnen, erregten einige der Dankesreden der Preisträger.

Als das palästinensisch-israelische Aktivistenkollektiv, bestehend aus Basel Adra, Hamdan Ballal, Yuval Abraham und Rachel Szor, den Dokumentarfilmpreis für „No Other Land“ über die israelische Besatzung im Westjordanland entgegennahm, erinnerte der Regisseur Basel Adra an die „Zehntausende seiner Leute“, die „von Israel in Gaza abgeschlachtet“ würden, und forderte Deutschland dazu auf, die Waffenlieferungen an Israel zu beenden.

Den Encounters-Preis für den Besten Film nahmen die Regisseure Guillaume Cailleau und Ben Russell für ihre Dokumentation „Direct Action“ entgegen. Natürlich stünden sie, so betonte der sich mit einem Palästinensertuch schmückende Amerikaner Russell, „für das Leben und gegen den Genozid und für einen Waffenstillstand in Solidarität mit all unseren Genossen“. Die Moderatorin Hadnet Tesfai kommentierte die Aussage lediglich mit einem „herzlichen Glückwunsch“. Der Saal quittierte die Aussage mit Applaus.

Die Berlinale erklärt auf Nachfrage der „Welt“ zu den Vorfällen, dass sie „für Demokratie und Offenheit“ stehe und sich „explizit gegen Diskriminierung und jeglichen Hass“ stelle. Gleichzeitig verweist sie auf den Wert eines Austausches „über Grenzen und Kulturen hinweg“ und wie wichtig „eine freie Meinungsäußerung innerhalb der gesetzlichen Grenzen“ sei.

In ihrem Statement betont die Berlinale, die während der Preisverleihung geäußerten „unabhängigen individuellen Meinungen“ zu respektieren, die nicht die Haltung des Festivals spiegelten. Außerdem habe die Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek in ihrer Rede „die mörderische Attacke der Hamas vom 7. Oktober verurteilt und die Freilassung der Geiseln gefordert sowie an das Leid aller Opfer der Gewalt in Israel und in Gaza erinnert“.

„Ich schäme mich dafür, dass in meinem Land Leute Völkermordvorwürfe an Israel feiern“

Nicht alle sehen das so gelassen. Im Zentrum der Kritik der stellvertretenden Unions-Fraktionsvorsitzenden Dorothee Bär (CSU) steht Claudia Roth: „Unter dieser Kulturstaatsministerin löst ein Antisemitismus-Skandal den nächsten ab. Zuerst die Documenta, dann das dröhnende Schweigen der Kultur nach dem 7. Oktober 2023, jetzt die Berlinale. Es ist unerträglich, dass eines der größten Filmfestivals weltweit ausgerechnet in der deutschen Hauptstadt als Anti-Israel-Festival instrumentalisiert wird.“

Helge Lindh, kultur- und medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, hält den kräftigen Applaus und das Fehlen von Widerspruch im Publikum für „erschütternd und entlarvend“. Die Festival-Leitung hätte die Aussagen auf der Bühne kommentieren oder kontextualisieren müssen: „Ich schäme mich dafür, dass in meinem Land Leute Völkermordvorwürfe an Israel feiern, statt dem Auftrag aus dem deutschen Völkermord gerecht zu werden“. Zwar seien Zensur oder Gewissensprüfung keine Antwort, doch sei zunehmend zu erleben, „dass die Kunstfreiheit als Feigenblatt für platten Aktivismus und grobschlächtige, verdummende Propaganda genutzt“ werde. „Der lange tabuisierte linke Antisemitismus zeigt aktuell seine Folgen und Wirkkraft.“

Michael Sacher, Kulturexperte der Grünen, bezeichnet „die einseitige Rede“ des Preisträgers Basel Adra als „schwer erträglich“. Es sei „nicht akzeptabel, wenn in der aktuell humanitär und politisch so schwerwiegenden Situation nicht der gezielte und bestialische Terrorangriff der Hamas auf mehr als eintausend Kinder, Frauen und Männer in Israel sowie die noch immer fortdauernde Geiselnahme von mehr als 130 Geiseln benannt wird.“

Linda Teuteberg (FDP) findet das, was bei der Preisverleihung geschehen ist, „beschämend“. Weitere Skandale müssten „unterbunden und nicht nur betroffen kommentiert werden“. Die besondere Verantwortung Deutschlands erschöpfe sich „nicht im ebenfalls wichtigen Gedenken, sie erfordert echte Verbündete der lebenden Jüdinnen und Juden in unserem Land und des Staates Israel zu sein“.

Klare und einstimmige Worte über ein Festival, das von Anfang an von politischen Debatten durchzogen war. Schon bei der Eröffnungsgala wurde auf dem roten Teppich gegen die AfD protestiert. Eine Podiumsdiskussion mit Hillary Clinton wurde siebenmal von Zwischenrufen wie „Free Palestine“ und „Shame on you“ unterbrochen. Auch Filmvorführungen wurden von Solidaritäts-Schreien und Schweigeminuten für Gaza begleitet.

Auf Instagram teilte die Berlinale-Sektion Panorama am Sonntag Kacheln mit den Slogans „Free Palestine – From the River to the Sea“ und „Stop the Genocide in Gaza“, die sie mit dem offiziellen Berlinale-Logo versahen. Kurz darauf wurden die Posts wieder gelöscht.

von Marie-Luise GoldmannClaudia Kade

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