Fran Healy – über Unsicherheiten, Neuanfänge und laute Gitarren

Bei Travis stehen alle Zeichen auf Neustart: Fran Healy ist umgezogen - und auch das neue Album klingt frisch und unverbraucht.

Von Torsten Groß Sommer in Berlin. Fran Healy— – ergrauender Stoppelbart. schmales Gesicht -— wirkt gezeichnet von den Erfahrungen der letzten Jahre. Aber vielleicht ist er auch nur älter geworden. Zurzeit geht es ihm jedenfalls blendend: Kürzlich hat er mit seiner Familie eine neue Heimat in Berlin gefunden, und eben haben Travis die Arbeit an ihrem bislang „schnellsten“ Album abgeschlossen, dem in einem 14-tägigen rush aufgenommenen „Ode To Smith“. Nachdem er lange mit dem nachlassenden Erfolg seiner Band haderte, empfiehlt Healy in seinem Blog nun sogar die neue Platte der Konkurrenten von Coldplay zum Kauf.

Wolltet ihr mit dem deutlich schwungvoller angelegten „Ode To J. Smith“ bewusst zurück zu euren Anfängen?

Gerade gestern haben wir uns die Frage gestellt, ob es eine Parallele zu R.E.M. gibt. Deren letztes Werk ist für mich ein klassisches back-to-the-roots-Album. Nun weiß ich nicht, was sie zu diesem Schritt bewogen hat, aber ich weiß, warum wir „J. Smith“ gemacht haben: Ich hatte mir eine E-Gitarre und einen neuen Verstärker gekauft und beschloss, die neuen Songs elektrischer anzugehen. Dabei fällt es mir eigentlich leichter, langsame Songs zu schreiben, aber diesmal habe ich da gar nicht so viel darüber nachgedacht, was ich tue.

Also doch „All I wanna Do is Rock“?

Jedenfalls schrieben sich die Songs, ähnlich wie damals, ganz wie von selbst. Generell halte ich aber ungern Rückschau. Trotzdem hast du vielleicht recht: Nach „12 Mcmories“ hatten wir unser Selbstvertrauen verloren. Wir wollten damals etwas anderes machen, da es zu viele Bands gab, die ähnlich klangen wie wir. Also nahmen wir dieses Album auf, mit dem wir Millionen von Fans verloren — und unser Vertrauen in uns selbst und die Musik. Wenn du jahrelang von einem Höhepunkt zum nächsten gekommen bist, willst du diesen Status irgendwann instinktiv aufrechterhalten — und verlierst darüber deine Unbefangenheit.

Diese Unsicherheit war dem letzten Travis-Album „The Boy With No Name“ durchaus anzuhören. Man konnte zu dem Schluss kommen: Das haben sie alles bereits gemacht, nur besser.

Auch hier gebe ich dir recht. Kritik von außen zu bekommen ist sehr wichtig. Ich selbst kann meine Arbeit schlecht bewerten.

wenn ich mitten im Prozess stecke. Und jetzt kommt das Aber: „The Boy“ war eine Reflexion unseres verlorenen Selbstvertrauens und als solche sehr wichtig. Damals hing uns ständig die Plattenfirma mit ihrer Forderung nach Singles im Nacken, und wir waren zu verunsichert, um dem Paroli bieten zu können. Bei den Konzerten kam das Vertrauen langsam zurück, weil wir merkten, dass es immer noch eine Menge Leute gibt, denen wir etwas bedeuten. Meine Lieblingssongs auf“ der Platte sind „Sellfish Jean“ und „Battleships“. Weil man ihnen anhört, dass sie nicht geschrieben wurden, um Platten zu verkaufen. Sie wiesen den Weg aus der Krise. Von der Tournee kamen wir dann als eine neue Band zurück.

Hast du es als befreiend empfunden, für die neue Platte nun erstmals überwiegend fiktional zu schreiben?

Absolut. In der Vergangenheit habe ich geschrieben wie Joni Mitchell, introspektiv und bekennend. Jetzt habe ich mich eher an Dylan orientiert. Ich wollte Geschichten erzählen, das ist leichter. Die Idee war, außergewöhnliche Sachen von gewöhnlichen Menschen zu erzählen. Für die Mitchell-Nummer wäre ohnehin keine Zeit gewesen, es musste ja schnell gehen, (lacht) Wir wollten fertig sein, bevor das Baby unseres Bassisten Dougie Payne geboren wird. Ich habe gelernt: Viel Zeit mit Dingen zu verbringen führt nicht automatisch zu besseren Ergebnissen.

Du hast den Typus des netten jungen Mannes in die Rockmusik eingeführt, Chris Martin und andere verdienen mit dieser Attitüde Millionen. Dennoch haben viele für diese neue Gattung Softies vornehmlich Häme parat. Warst du jemals von deinem Image als der ewige Gutmensch Fran Healy genervt?

Keineswegs. Diese Angriffe haben mich nie gestört. Wie die Presse und die meisten Menschen funktionieren, ist ja relativ leicht zu durchschauen. Ich bin, wie ich bin, das war nie ein Image-Schachzug.

Trotzdem scheinen es Raubeine im Rock’n’Roll immer noch leichter zu haben.

Das glaube ich nicht. Es gibt eine Sache, die man über Travis wissen sollte: Wir sind Schotten, keine Engländer. Auch wenn wir Nachbarn sind, könnten die Unterschiede nicht größer sein, das ist wie schwarz und weiß. So ist ein aus Schottland stammender Rockstar eigentlich ein Oxymoron. Ruhm passt nicht zu unserer Mentalität. Ich habe jahrelang mit diesem Widerspruch gekämpft. Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz in Schottland: Keiner darf sich über den anderen erheben. Ein Typ wie Jay Z. würde bei uns keine zwei Minuten überleben. In Schottland sind die Leute freundlich und interessiert an anderen Menschen, das hat uns geprägt.

Trotz der Heimathebe wohnst du seit einigen Monaten mit deiner Familie in Berlin. Wie ist es dazu gekommen?

Letztes Jahr haben wir uns entschieden, London zu verlassen. New York oder Berlin standen zur Wahl. Nun haben wir Wohnungen in beiden Städten, sind aber überwiegend in Berlin.

Die beiden Städte werden immer wieder verglichen. Siehst du Parallelen?

Bedingt. New York wird von der Wall Street regiert, die größte Religionsgemeinschaft in dieser Stadt ist die der Kapitalisten, darauf können sich alle einigen, ob Juden, Christen oder Moslems.

Während Berlin „arm und sexy“ ist?

(lacht) Auch wenn die Stadt reicher wäre, wäre es doch etwas anderes, da die Leute in Berlin andere Prioritäten setzen. Das ist eine Mentalitätsfrage. Allerdings höre ich von Älteren immer wieder, dass Berlin ein bisschen so ist, wie New York in den Achtzigern war. Das kann ich zwar nicht beurteilen, aber ich liebe Berlin und fühle mich hier sehr wohl.

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