Fünf Jahre nach dem „besten Dance-Album aller Zeiten“ haben Leftfield ihren Kurs verändert

Mit Exzentrikern kennt sich Chris Cunningham bestens aus – er ist schließlich selber einen Madonna schickte der junge britische Regisseur zum Videodreh in die Wüste, Aphex Twin ließ er als bärtige Nutte vor einer Stretch-Limo tanzen. Doch so anstrengend wie das Londoner Electro-Duo Leftfield war noch keiner seiner Kunden. Dabei wirken Paul Daley (36) und Neu Barnes (58) auf den ersten Blick ausgeglichen und gelassen, fast stoisch. Doch Leftfield sind Perfektionisten, selbstkritische Pedanten auf der Suche nach dem perfekten Beat Vor fast fünf Jahren erschien ihr Debüt „Leftism“, eine psychedelische Techno-House-Platte, die von Englands Top-DJs zum „besten Dance-Album aller Zeiten“ gewählt wurde. Doch erst jetzt, mit zwei Jahren Verzögerung, kommt der Nachfolget Warum das so lang gedauert hat, ist klar: In der Elektronik-Manufaktur von Leftfield wird jedes Detail so lange und gründlich poliert, bis es wirklich glänzt und funkelt.

Als Cunningham das Video zur Single „Africa Shox“ drehte – eine Geschichte von gläsernen Zombies in New York -, waren Leftfield mit dem Song noch lange nicht fertig. Immer wieder ließen sie dem Regisseur einen neuen, „definitiv letzten“ Mix zukommen. Irgendwann riss Cunningham der Geduldsfaden: „Ihr könnt mir nicht permanent neue Versionen schicken; irgendwann muss doch mal Schluss sein!“

15 Monate später tüfteln Leftfield noch immer an einigen „allerletzten“ Soundeffekten ihrer Platte. Doch im Prinzip haben sie es geschafft: Ihr zweites Album „Rhythm And Stealth „steht Ende September definitiv in den Läden. Es ist ein tiefes, bewusstes Eintauchen in eine dunkle Klangwelt zwischen HipHop, Techno und Dub – eine keinem Genre verpflichtete Musik, bei der man spontan ausrufen möchte: Verdammt, ja, das Warten hat sich doch gelohnt.

Und – wie sich nun herausstellt – war es auch nicht nur die Liebe zum Detail, die Leftfield so lange aufgehalten hat: „Während wir an der Platte arbeiteten, gab’s immerhin zwei Kriege“, konstatiert Paul Daley nüchtern. „Außerdem hatten wir beide persönliche Probleme: der Tod von Freunden, Schwierigkeiten in der Beziehung. Selbst Menschen, die einen geregelten Büro-Job haben, werden durch solche Krisen beeinflusse In so einer Situation zu sagen: ‚Hey, ist doch egal, lass uns trotzdem ein paar Stücke machen‘, ist uns zu cheesy. Das wäre die Negierung der Realität.“

Vielleicht klingt ja deshalb „Rhythm And Stealth“ reifer, stimmiger, gelungener als die letzten, etwas enttäuschenden Alben vergleichbarer Bands wie Underworld und Orbital – zumal der neue Kurs von den poetisch-kritischen Raps der HipHop-Ikone Afrika Bambaataa sowie des Londoner Rappers Roots Manuva unterstützt wird.

Auch wenn Leftfield in ihrer Heimat als Techno- und Progressive-House-Könige gefeiert werden, liegen ihre Wurzeln im Punk. Für Daley kein Widerspruch: „Beides Musik, die in Wohnzimmern und Kellerräumen begann und über Mini-Label vertrieben wird.“ Den Beweis für die These lieferten sie bereits 1993: Auf dem englischen Top-Ten-Hit „Open Up“ sang kein Geringerer als ihr alter Freund John Lydon. (Der den Kontakt zu seinen Elektro-Freunden pflegen sollte: So gut wie hier klang er seit Public Image nicht mehr!)

Und noch was: Für ihr Debütalbum brauchten Leftfield immerhin sechs Jahre – sie haben ihre Schlagzahl also bereits deutlich erhöht.

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