Gelernt ist verpennt

Wie er da reingeraten ist, weiß Konstantin Gropper selbst nicht genau. Eigentlich wollte er nebenan in Heidelberg Philosophie studieren. Doch dann hat sich der stille Junge mit den schrägen Ideen doch irgendwie auf die Mannheimer Popakademie verirrt, deren Stundenplan wie die Fortsetzung der TV-Castingshows mit anderen Mitteln anmutet. Konstantin ließ Seminare wie „Die Player im Veranstaltermarkt“, .Artist Development“ oder „Wie schreibe ich einen Hit?“ über sich ergeben, hat Dozenten ertragen, die damit prahlten, LaFee zum Star aufgebaut zu haben oder für die subtile Lyrik Yvonne Catterfelds verantwortlich zu sein. „Ich glaube nicht, dass mir solche Typen irgendwas beibringen können“, sagt er und grinst schüchtern, „die könnten eher was von mir lernen.“

Weil man aber eine solide Berufsausbildung zu schätzen weiß, wenn man wie der 25-Jährige aus der schwäbischen Provinz kommt (dem 1000-Einwohner-Kaff Erolzheim zwischen Ulm und Bodensee), hat Konstantin durchgehalten. Die ganzen drei Jahre. Und als er im Sommer auf die letzten Klausuren büffelte, tüftelte er nebenher an „Rest Now, Weary Head! You Will Get Well Soon“, dem Debütalbum seines Soloprojekts Get Well Soon, bei dem er lieber nicht Popakademie-Gastdozenten wie Xavier Naidoo oder Smudo nacheifert, sondern Arcade Fire, Radiohead, Conor Oberst und Ennio Morricone.

Während Udo Dahmen, der künstlerische Leiter der Popakademie, den Absolventen der Studiengänge Popmusikdesign und Musikbusiness eine rosige Zukunft verspricht und für die 58 Neulinge, die am 1. Oktober ihr Studium begonnen haben, erstmals auch ein Seminar mit dem Titel „Virales/Mundpropaganda-Marketing & Web 2.0“ anbietet, pflegt Konstantin auf dem Album seine Depressionen. Und liefert damit nicht unbedingt den passenden Soundtrack für das Marketingkonzept der aufstrebenden Mannheimer Musikschule, die im September auf der Popkomm für den Musikstandort Baden-Württemberg geworben hat und die vor allem durch Zu-Schüsse der Zukunftsinitiative des Landes Baden-Württemberg, der Stadt Mannheim, des Südwestrundfunks und durch Studiengebühren finanziert wird. „An der Popakademie züchten sie zwar keine Popstars“, sagt Konstantin, „aber Subkulturen fördern sie auf der anderen Seite auch nicht gerade.“ Anders das Label City-Slang, das den bekennenden Eigenbrötler, der inzwischen Reißaus nach Berlin genommen hat („Ich wollte so schnell wie möglich weg aus Mannheim“), unter Vertrag genommen hat.

Einen Plattendeal hatte bis vor ku rzem auch Johanna Zeul. Die 26-Jährige darf sich schon seit Juli 2006 Bachelor of Arts der Popakademie nennen und gehörte damit zu den ersten Absolventen der 2003 eröffneten Mannheimer Schule. Das störrische Mädchen hat mit ihrem exaltierten Songwriter-Pop. derklingt. als ob Regina Spektor jetzt Gitarre spielen und Deutsch singen würde, vor einem Jahr schon den Rio-Reiser-Songpreis gewonnen, zu ihren Fans zählen Reinhard Mey, Heinz Rudolf Kunze und Fritz Braum. der Johanna bei Four Music unter Vertrag nahm. Doch seit Four Music zu Sony BMG gehört, passen sie und ihr „Album Nr. 1“ nicht mehr ins Profil des Labels, das sich nur noch um Black Music kümmern soll. Zurzeit sucht sie mit der fertigen Platte im Gepäck nach einer neuen Plattenfirma. „Ich bin ein süßer Traum“, singt Johanna in einem ihrer Songs, „wenn du nicht an mich glaubst, kann ich nicht in Erfüllung gehen.“

Wie Konstantinist Johannaerstaus der schwäbischen Einöde (in ihrem Fall war es das Albdorf Gönningen) nach Mannheim und dann nach Berlin geflohen. Wie Konstantin hat sie eine Sozialisat ion hinter sich, die sie immun gemacht hat für die Verlockungen des Business: Während Konstantin nur mit klassischer Musik aufwuchs, ist Johannas Vater der Liedermacher Thomas Felder. Und wie Konstantin trauert sie dem Mannheimer Studentenleben nicht wirklich hinterher. „Ich bin froh, dass ich da raus bin“, sagt auch sie. Mal passten ihr die Dozenten nicht („Xavier Naidoo hab ich geschwänzt“), mal fand sie die Ausbildung zu theoretisch. „Da wurde zu viel rumgelabert und zu wenig gemacht.“

Das fand auch Katja Aujesky, die drei Jahre lang bei der knuffigen Wiesbadener Garagen-Punk-Conibo 200 Sachen sang und 2005 bei der Popakndemie rausflog, weil sie lieber Konzerte gab als zum Unterricht zu gehen. „Letztlich – das muss man sich mal geben – bin ich wegen einer Hausarbeit durchgefallen“, erzählte sie kurz nach dem Ende ihrer kurzen akademischen Laufbahn. Dreimal scheiterte Katja an der Aufgabe, eine Band zu beschreiben und deren Zukunft vorauszusagen. „Ich fand die Band jedes Mal scheiße: W4C, kantenloser langweiliger HipHop.“ Geärgert hat sie sich aber nicht wirklich über den Rauswurf: Weil sie den Musikgeschmack ihrer Mitstudenten recht dürftig fand („80 Prozent des Jahrgangs kannten noch nicht mal die Strokes“), verschwiegen 200 Sachen sowieso lieber das Studium ihrer Sängerin.

Auch Konstantins Plattenfirma scheint die Sache mit der Popakademie irgendwie peinlich zu sein. Im Pressetext zur Veröffentlichung seines Debütalbums bleibt Mannheim jedenfalls unerwähnt. Dabei findet Konstantin, dass die Popakademie als Partnerschaftsvermittlung, als „eine Möglichkeit, ein Business-Netzwerk um sich herum aufzubauen“, durchaus zu gebrauchen ist. Er hat einige der Musiker seiner Liveband und seinen Manager in Mannheim kennengelernt. Und Johanna wurde nach einem Popakademie-Vorspiel vom Regisseur Michael Simon engagiert, um die die Bühnenmusik für Feridun Zaimoglus „Max und Moritz“-Neubearbeitung zu machen.

Und zumindest eine Karriere kann die Popakademie tatsächlich als ihren eigenen Erfolg verbuchen – die der Irin Wallis Bird: Bei einem europäischen Bandcamp im fränkischen Hammelburg lernte sie Mannheimer Studenten kennen, beschloss daraufhin, ihr in Dublin begonnenes Studium an der Popakademie fortzusetzen, fand dort nicht nur ihre Musiker und ihren Manager, sondern mit SWR3 auch einen Radiosender, der ihre erste Single „Blossoms In The Street“ zu einem kleinen Hit machte. Im September ist nun ihr Debütalbum „Spoons“bei Island/Universal erschienen.

„Ich glaube, für viele Musiker ist die Popakademie genau das Richtige“, sagt Konstantin Gropper seufzend. „Ich allerdings habe mich dort immer irgendwie fehl am Platz gefühlt.“

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