HARDLINER MIT TRILLERPFEIFE – Der Wahlkampf

Wahlkampf sei die Kunst, die Leute zu vergackeiern, sagte einst in einem lichten Moment der krachlederne Zyniker Franz-Josef Strauß. Man müsse dem Volk aufs Maul schauen und keinesfalls widersprechen. Das nennt man dann Populismus. Wer nicht wagt, gewinnt.

Den Grünen wurde die Nichtbeherzigung dieser ehernen Regel fast zum Verhängnis. Sie machten zur Unzeit ein paar vernünftige Vorschläge. Raus aus Kernkraft und nordatlantischem Militärpakt Abschied in Raten von der Bundeswehr und sofortiger Schluß mit deren Totalitarismus-konformer sog. Traditionspflege. Und schließlich als eher symbolischen Protest gegen den mäandernden Autowahn: stufenweise Erhöhung des Benzinpreises auf fünf Mark pro Liter binnen zehn Jahren.

Zehn Mark in fünf Jahren wäre einer Öko-Partei würdiger gewesen, aber natürlich gingen schon die moderaten Forderungen voll nach hinten los. Naiv, wie sie sind, hatten die Grünen nicht mit dem demagogischen Potential gerechnet, das gewieftere Parteien auf Abruf zur Verfügung haben. CDU-Pater Hintze, diese unheilige Kreuzung zwischen Jürgen Fliege und einer Panzerfaust stand wenige Stunden später bereits mit heraushängender Zunge vor den Kameras und freute sich sabbernd über den strategischen Fauxpas. Und Guido Westerwelle erst, das fleischgewordene Windei! Der Mann kriegte sich nicht mehr ein vor lauter Seligkeit über das unerwartete Wahlkampfgeschenk. So schadenfreudig erregt sah man die Berufsphrasendrescher lange nicht Auch ihr SPD-Kollege Müntefering ließ sich da nicht lumpen. Schröders rechte Hand mag so alert sein wie eine Nacktschnecke, kann es mit dieser aber auch im Schleimen jederzeit aufnehmen. Unvergessen das dröhnende Pathos, mit dem er „unsere Soldaten“ seinerzeit in Schutz nahm vor Antimilitaristen und anderem vaterlandslosem Gesindel. Da sind die Sozis ja sensibel, seit dem Ersten Weltkrieg. Wer diese mutigen und tapferen Jungs, die sich da bravourös gegen die Oderflut stemmten, in die Nähe von Mördern rücke, bekomme es mit ihm zu tun. Igitt, lieber nicht.

Und so stand anderntags der bedröppelte Jürgen Trittin vor der Presse, auf den Lippen noch der Schaum von fünf Pfund Kreide, die er auf Geheiß Joschka Fischers hatte zum Frühstück fressen müssen, und hielt ein Schild hoch, auf dem stand: Autofahren soll nicht teurer werden. Doch nicht einmal diese eilfertige Kehrtwendung brachte die gewünschte Schadensbegrenzung, weil Trittin das süffisante Grinsen nicht aus dem Gesicht kriegte. Taugt einfach nicht zum Sympathieträger. Selbst die gebetsmühlenhafte War-nicht-so-gemeint-Rhetorik des vom Sponti zum Asketen geläuterten Fischer fruchtete nicht Dabei muß sich der Marathon-Mann in Sachen staatstragender Gesinnung selbst hinter Pfarrer Hintze nicht verstecken.

Das Heucheln müssen die Grünen ebenso noch lernen, wie sich beim Lügen nicht ertappen zu lassen. Das Geschäft der „Vollverarschung“, wie es der adrette Schwadroneur Schlingensief nennt. Bei dem führt die richtige Erkenntnis freilich ständig zu zerebralen Kurzschlüssen und unappetitlichen Äußerungen wie etwa jener, wonach das B-Prozent-Ergebnis der DVU in Sachsen Anhalt „hervorragend“ sei. Braun wie Scheiße. Doch: Hauptsache, es stinkt. Chance 2000? Ja, aber nur für die Infantilen. Kasperletheater. Da lobt man sich die gesund-regressiven Gemüter und ihre schlichten, aber wirksamen Methoden. Wo regiert die Banalität, wo sind Frohsinn und Biedersinn allzeit zu Hause, wo ist man mithin empfanglich für Agitation, und sei sie noch so blöd und verlogen? Genau, sagt sich die F.D.P. und schickt den anonymen Vorsitzenden Gerhardt und seinen Möllemann nach Mallorca.

Wo noch? Richtig, auf der Love Parade. Die ist so politisch wie ein nasser Schwamm und schon deshalb ein Hätschelkind der CDU. Endlich einmal eine Jugendbewegung, die uns nicht zu schaffen macht und einfach nur happy ist, sagt sich die Christenunion. Also läßt sich Berlins schneidiger Innen-I Senator und Hardliner Schönbohm zum „Ehren-Raver“ küren und eine Trillerpfeife umhängen, während um ihn herum die Masse zappelt und gut drauf ist Dann begrüßt die Knalltüte Dr.

Motte „die Elfen, Kobolde und alle guten Erdgeister“ zum Techno-Fasching, und die Christenclicjue trollt sich. Gespenster sind ja nicht wahlberechtigt.

Das weiß auch Kanzler Kolil, der mal eben schnell, ganz handfest, jede Menge ABM-Stellen locker macht und daraufsetzt, daß das kollektive Gedächtnis extrem kurz ist. Und der Kandidat Schröder, der einfach nur locker ist und telegen. Und sein Heil darin sucht, sich auf nichts festzulegen zu lassen. Bramarbasieren und sinnfreies Daherreden will indes auch gelernt sein, und der Blair-Bewunderer ist schließlich beim Besten in die Schule gegangen.

Einer wird gewinnen. Naja, ab Sieger werden sie sich am Wahlabend auf die eigenen Schultern klopfen. Aber wer wird regieren? Schröder sagt RTL-Schreckschraube Schrowange. Sie weiß das von einem Wissenschaftler, der eine Korrelation entdeckt hat zwischen dem Brustumfang von Playmates und der Politkonjunktur. Sind die Oberweiten üppig, liegt Kohl vorn, sind sie bescheiden, gibt es einen Busenbonus für den Herausforderer. Nicht Nölle-Neumann – den „Playboy“ konsultieren! Gaga? Genau, paßt doch.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates