Harry Potter

Noch lagen keine tausend Teenager vor Buchläden, ah Bloomsbury am 30. Juni 1997 „Harry Potter And The Philosopher’s Stone“ veröffentlichte. Magere 500 Exemplare gab es zunächst, und die Mehrzahl ging an Bibliotheken und Rezensenten. Wohl bewerteten diese J. K. Rowlings Schriftsteller-Debüt meist gut, doch den folgenden Siegeszug erahnen sie nicht. Wer kann schon 400 Millionen verkaufte Bücher voraussehen?Immerhin begriff man, dass Rowlings magische Welt von Anfang an zwingend erzählt, konzise und reich an verschachtelten Ebenen war. Für ein Jugendbuch war hier (neben einem atemberaubenden Einfallsreichtum) recht viel literarische Komplexität im Spiel.

Zwar waren die Zutaten bekannt – das Topos des Zauberlehrlings, das Setup der Viktorianischen Boarding School, die jugendliche Helden-Clique. Doch Rowling forderte ihre Leser, legte Harry Potter als durchaus kantigen, widersprüchlichen Charakter an und mutete dem Nachwuchs im. Lauf der Serie recht beunruhigende Szenarien zu. Denn nicht zuletzt geht es in diesen Büchern um den Tod. Rowling hatte ihre Mutter verloren und wob ihren eigenen zornigen Kummer in die Geschichte eines Waisen, der mit dem Verlust der Eltern zu leben versucht und erfährt, was er immer geahnt hatte: dass er nicht in diese Welt gehört, sondern in eine andere.

What is the Matrix? Viel ist diskutiert worden über die religiösen Aspekte der Potter-Bücher. Der deutsche Papst, damals noch Kardinal, warnte vor einer unmerklichen Verführung, in Amerika hätte mancher wohl gern ein öffentliches Feuer angesteckt. Andere erkannten dagegen im Opfertod von Potters Mutter einen Verweis auf christliche Überzeugungen. Wie auch immer: In der „Harry Potter“-Serie geht es um die Angst vor der Endlichkeit, so wie es in Tolkiens „Herr der Ringe“ um den Krieg und die Aufgabe des eigenen Lebens für das große Ganze geht. Schon ….. And The Philosopher’s Stone“ hat dabei jene okkulten Momente, die in den folgenden Bänden sukzessive zunehmen. In den letzten Bändern dreht Rowling diese Entwicklung um: Je mehr ihr Bösewicht seine körperliche Gestalt zurückgewinnt, desto mehr wird die Bedrohung die eines Terror-Regimes. Am Ende ist Voldemort vor allem Faschist.

Freilich ist „…And The Philosopher’s Stone“ ein Kinderbuch – wer von der zügellosen Schlemmerei im literarischen Pendant zum Süßigkeitenladen genug hatte, der las 1997 Philip Roths „American Pastoral“, Frank McCourts anrührende Memoiren „Die Asche meiner Mutter“ oder vielleicht Richard Russos fabelhaftes „Straight Man“. Die Plattenindustrie versuchte derweil, einen Trend zu vergolden. DJ is the new rockstar, hieß es damals, die Chemical Brothers und The Prodigy standen weit oben in den Charts. Kurz war das Medium die Botschaft, der Big Beat scheinbar die Zukunft – als Gitarrenliebhaber fühlte man sich überführt, ausrangiert, irrrelevant. Doch der alte Kumpel Rockmusik war nie wirklich weg. Zumal Radiohead mit ihrem Quantensprung „OK Computer“eine ganz neue Welt erschlossen. Alles an diesen Liedern ist in einer atemberaubenden Brillanz.

Nicht so brillant, aber emotional unausweichlich: Elton John verkaufte in ein paar Tagen mehr als 30 Millionen Singles von „Candle In The Wind“, dem Lied zur Beerdigung von Lady Di. Die beispiellose Anteilnahme am englischen Unglück war ein überwältigendes Ereignis, dem man im Ausland letztendlich nur als Zuschauer beiwohnte.

Weniger Aufsehen erregend, aber nicht minder tragisch: Jeff Buckley ertrank im Mississippi, Townes Van Zandt erlag einem Blutgerinsel, Michael Hutchence nahm sich das Leben, Notorious B.I.G. starb im Kugelhagel. R.I.P.

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