„Ich heule schnell“

Die schottische Sängerin Amy Macdonald über den Irrsinn nach ih-rem Hit und die Freude über das Versagen aller Marketingstrategien

So hatte sich Amy Macdonald das alles nicht vorgestellt. Ein kleines Lied über einen betrunkenen Abend mit Freunden, und plötzlich war die damals 20-jährige Schottin ein „Millionenseller“, Top-Priorität ihrer Plattenfirma, überall bekannt. Der Titel „This Is The Life“ bekam so eine ganz neue Bedeutung.

Kaum drei Jahre später hat sie ihr zweites Album nun „A Curious Thing“ genannt – weil ihr Leben so seltsam schön ist. Macdonalds immer noch gern überkippende Stimme klingt etwas weniger nach Mädchen und mehr nach Frau, und zur Akustikgitarre gesellen sich jetzt groß angelegte Sounds.

Saß dir der Erfolg deines Debüts während der Aufnahmen im Nacken?

Komischerweise hatte ich richtig Spaß und fast gar keinen Stress. Mir hat keiner Druck gemacht, niemand ging mir auf die Nerven. Ich hatte zwar nicht viel Zeit, Songs zu schreiben, aber nach den Monaten auf Tournee reichten ein paar Tage zu Hause schon, um auf neue Ideen zu kommen.

Dieses zweite Album ist auf jeden Fall viel wuchtiger produziert.

Das stimmt, aber das hat nichts mit Kommerz zu tun, sondern mit meiner Band. Früher habe ich immer nur mit meiner Akustikgitarre in kleinen leeren Pubs gespielt – so klang das erste Album dann auch. Aber in den letzten zwei Jahren spielten wir in viel größeren Hallen. Da muss man soundtechnisch einen Gang hochschalten, sonst geht man unter.

Manche Stücke wie „An Ordinary Life“ wirken, als sehntest du dich nach etwas Normalität zurück.

Das Lied handelt aber eigentlich gar nicht von mir. Ich war vor einiger Zeit in Glasgow bei der Premiere eines Films mit Gerard Butler. Ich war ganz aufgeregt, weil in Glasgow ja sonst nicht so viel los ist und ich noch nie bei einer Premiere war. Gerard war wahnsinnig nett und sagte, er habe meine Musik auf seinem iPod. Ich habe ihn dann in Ruhe gelassen, aber er konnte gar nicht ungestört mit seiner Mum und seiner restlichen Familie reden, weil ihn alle bedrängten. Da dachte ich mir: Gut, dass ich nicht so berühmt bin!

Bist du nicht?

Nö. Der ist ein großer Hollywood-Star, ich bin eine kleine Sängerin, und das finde ich toll. Ich sehe normal aus, und ich muss mein Gesicht nicht groß in Magazinen sehen. Ich gehe gern ungestört durch Glasgow, wo es ja sowieso keine Paparazzi gibt. Und solange ich in Geschäften immer noch nach meinem Studentenausweis gefragt werde, ist alles in Ordnung. Die Balance stimmt: Ich kann große Konzerte spielen, aber auch in Ruhe irgendwo essen gehen.

Für eine so zufriedene Frau singst du sehr viel von gebrochenen Herzen.

Weil ich so ein Weichei bin. Ich heule ganz schnell, wenn ich im Fernsehen etwas Trauriges sehe oder schlechte Nachrichten höre. Beruhige mich dann aber auch schnell wieder. Meistens!

Wird dein schottischer Akzent stärker, wenn du dich aufregst?

Bestimmt. Aber ich habe gar keinen so breiten Akzent, oder? In Glasgow gibt es Taxifahrer, die nicht mal ich verstehen kann. Da fragt man dreimal nach und sagt dann einfach ja“. Und hofft, dass es eine Ja-Nein-Frage war.

Was regt dich am Musikgeschäft wirklich auf?

Dass die Optik so wichtiggenommen wird, die Musikindustrie ist ja besessen davon. Da singen junge Mädchen irgendeinen Müll, den die Leute nur kaufen, weil sie schön mit dem Hintern wackeln. Irgendwie traurig. Aber wer’s mag – meinetwegen. Ich möchte lieber für meine Musik anerkannt werden.

Noch keine Angebote in Richtung Hintern-Wackeln bekommen?

Jetzt nicht mehr. Anfangs wollten sie mir schon ein Image aufdrücken, einen gewissen Look, irgendeine schicke Geschichte. Aber all diese Marketingstrategien haben bei mir versagt, weil meine Musik einfach so gehört wurde, ohne all das. Unverschämtheit!

Wie soll es für dich weitergehen?

Wenn ich einfach so weitermachen kann, bin ich schon glücklich. Aber ich bin auch eine große Träumerin und stelle mir immer das Allerbeste vor, was passieren kann – also dass dieses Album noch mehr verkauft, ich durch Japan, Australien, Amerika und China touren kann.

Hast du einen Plan B, falls es mal nicht mehr läuft?

Das hier ist mein Plan B. Eigentlich wollte ich Geografie studieren und unterrichten und in den langen Ferien dann um die Welt reisen. Das mache ich jetzt auch – aber leider ohne die vielen Urlaubstage!

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