Jagd nach dem Glück

Trotz der Reunion von Jane's Addiction will PERRY FARRELL solo neue Wege gehen: Der Alternative-Pionier hat plötzlich die Elektronik entdeckt

Man konnte Glück haben mit Perry Farrell in den vergangenen Jahren oder auch sehr viel Pech. Je nachdem, in welcher Stimmung man den Sänger von Jane’s Addiction antraf, entwickelte sich ein Interview entweder zum Feuerwerk druckreifer Sätze – oder der Mann schlief einfach ein. Wenn er nicht rechtzeitig zur Toilette kam. In dem Fall ging das Gespräch weiter, aber Sinn hatte es kaum.

Heute ist alles etwas normaler. Vor zehn Jahren hatte Farrell Jane aufgelöst, vor vier Jahren wieder zusammengetrommelt, dazwischen das Alternative-Festival Lollapalooza organisiert und Porno For Pyros gegründet, außerdem eine Menge Drogen genommen und jahrelang ein Soloalbum angekündigt Jetzt ist es da: „Song YetTo Be Sung“.

Erstaunlicherweise rockt es gar nicht, sondern kommt mit Dance-Rhythmen, Breakbeats und esoterischem Weltmusik-Flair. Farrell begeistert sich plötzlich für deutsche Labels wie Tresor und ist „fasziniert von Programmierern“.

Allerdings fehlen ihm gleichzeitig die „echten“ Musiker: „Deshalb will ich auch mit Jane’s Addiction weitermachen. Wir werden die elektronischen Sounds, die ich gefunden habe, einfach in unsere Musik einbauen. Das ist alles nicht so schwarz und weiß. Hauptsache ist: Ich fühle mich sexier und glücklicher denn je. Es ist, als ließe mich etwas erglühen. Darf ich eine Minute über Gott sprechen?“ Farrell springt gerne von einem Thema zum nächsten, vorzugsweise nach einem tiefen Schluck Rotwein. „Ich habe von oben eine Aufgabe bekommen: das Beste zu sein, was ich sein kann. Wohltätigkeit ist das Wichtigste im Leben, aber man muss sich erst um sich selbst kümmern, bevor man anderen helfen kann. Wenn dein Licht aus ist, geht alles verloren.“

Perry Farrells Licht war schon häufiger nahe daran, ausgeblasen zu werden. Die Selbstversuche mit Heroin und anderem „bewusstseinserweiterndem Quatsch“ ließen ihn erschreckend schnell altern. „Ich kannte mich früher nicht gut genug, deshalb habe ich mich selbst verletzt und wusste nicht weitet Ich musste durch Erfahrung lernen. Hören und Sehen hat mir nicht gereicht. Komischerweise habe ich damals nie ans Sterben gedacht. Und wenn ich heute daran denke, dann nur wegen meines Sohnes.“

In Sachen Familienpolitik hat Farrell übrigens einen erfrischend archaischen Ansatz: Die Mutter hat zu Hause zu bleiben. „Ich sehe das sehr primitiv. Die Männer verlassen das Dorf und jagen, die Frauen passen auf die Kinder auf. Ich muss nur schauen, dass ich gesund von meinen Touren zurückkomme und Beute mitbringe.“ Die Entscheidung, Vater zu werden, hat er sich nicht leicht gemacht: „Mir ist mein Leben sehr wichtig, aber drei Stunden am Tag nehme ich mir Zeit fürs Kind. Und ein Haustier geht auch noch. Aber nur eine Katze, die braucht nicht so viel Aufmerksamkeit.“ In den nächsten Monaten will sich Perry Farrell wieder verstärkt um Jane’s Addiction kümmern – und das nicht nur bei einer Greatest-Hits-Tournee. „Wir werden versuchen, Songs zu schreiben. Mein Körper fühlt sich zurzeit so musikalisch an – wie ein Klangkörper eben, fast wie ein Saxofon.“

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