Mythos Rock’n’Roll: DIE BANDITS

Mythos Rock'n'Roll: Für DIE BANDITS, den Musikfilm der Jungregisseurin Katja von Garnier, haben Katja Riemann und Jasmin Tabatabai auch Songs komponiert

Man stelle sich vor: drei schöne junge Frauen voll Tatendrang im Knast. Graue Klamotten, strähnige Haare und kein Lippenstift weit und breit. Wenigstens einige Instrumente zur Beschäftigungstherapie und eine verrückte Mörderin, die Klavier spielt. Sie gründen eine Band, was bleibt einem schon anderes übrig. Sie sollen auf einem Polizeiball spielen, fliehen auf dem Weg dorthin. Werden berühmt, werden verfolgt und nehmen auf ihrem ersten Konzert Männer-Model Werner Schreyer (ja, das ist der aus der Boss-Werbung, eine gelungene Mischung aus Brad Pitt und einem jungen Blixa Bargeld) als Geisel…

Das klingt wie ein Jugendzimmertraum, größer als der „Bravo“-Starschnitt? Sehr richtig, die Geschichte ist zu schön, um wahr zu sein: Sie ist ein Kinofilm. Die Band, die „Bandits“ also, gibt es nicht, wohl aber ihre erste CD. Die JBandits“ sind vier deutsche Schauspielerinnen: Katja Riemann, Jasmin Tabatabai, Nicolette Krebitz sowie Jutta Hof mann. Unter der Regie von Katja von Garnier mimen sie vier Frauen auf der Suche nach Freiheit und Abenteuer, ausgerüstet mit Instrumenten und ein wenig krimineller Energie, umgetrieben von dem mythischen Geist des Rock’n’Roll.

Doch wehe dem, der die Filmbande „Mädchenband“ nennt. Dann wird es laut im Besprechungszimmer von Olga Film in München, der Produktionszentrale der „Bandits“, wo drei Darstellerinnen (Riemann, Tabatabai, Krebitz) und ihre Regisseurin zwischen Papierstapeln, vollen Aschenbechern und leeren Kaffeetassen um ihr Selbstverständnis und das beste Erscheinungsbild für das so geliebte Produkt ringen. Katja von Garnier (entrüstet): „Die „Bandits“ sind echt keine Mädchenband.“ Jasmin Tabatabai (vorsichtig): „Vielleicht eine Rock’n’Roll-Band?“ Nicolette Krebitz (erklärend): „Das ist schwierig, aber zu ’ner Band, die nur aus Jungs besteht sagt, man ja auch nicht Männerband.“ Katja Riemann (bestimmt): „Sag‘ doch einfach Bandits.“

Aber nochmal: Die „Bandits“ sind gar keine Band. Womit wir mittendrin wären in der Standortbestimmung eines Projektes, das nach vielen Sternen greift.

„Die Bandits“, das ist zunächst ein Musikfilm. So etwas, sagt Katja von Garniet; Co-Autorin, Regisseurin und Übermutter des Streifens, hat es in Deutschland schon lange nicht mehr gegeben. Sie persönlich aber ist ein „Superfan von Musikfilmen“. Und fügt entwaffnend unverblümt hinzu: „,Hair‘ ist mein Lieblingsfilm.“

Ihr Hochschulfilm „Abgeschminkt“ lief vor einigen Jahren wie ein kleines Wunder im Kino. Sechzig Film-Minuten haben Frauen und Mannet; Beziehung und Komödie zum ersten und letzten Mal Spaß gemacht. Danach darf man sich vieles erlauben, vielleicht auch für 70er-Jahre-Hippie-Kitsch zu schwärmen. Vbr allem aber kann so der erste Spielfilm schon ein Wunschfilm sein, mit viel Geld, aufwendiger Produktion und Traumbesetzung.

Die „Bandits“-Bande hat sich ganz stilecht auf einer Party gefunden. Damals spukte die vage Idee „Musikfilm“ als Abstraktum in den Köpfen der beiden Katjas von Garnier und Riemann. Und irgendwo in einer Berliner Nacht tanzten ihnen die gelobten Jungdarstellerinnen Jasmin Tabatabai und Nicolette Krebitz vor der Nase herum. „Ich dachte sofort, die müssen auch mitspielen,“ erinnert sich Katja von Garnier. Alle waren Feuer und Flamme, und so gab es die „Bandits“ auf seltsame Weise schon, bevor ihre Erfinderin die Geschichte kannte, die sie dazu erzählen wollte.

Die Figuren indes formten sich von selbst, inspiriert von ihren Darstellerinnen. Da ist Luna, Sängerin und Gitarristin der „Bandits“, rotzig, laut und herbe, verurteilt wegen Raub und Körperverletzung. Sie wird dargestellt von Jasmin Tabatabai, die sich wiederum nicht nur als Schauspielerin in jungen deutschen Spielfilmen wie „Die Mediocren“ von Matthias Glasner hervorgetan hat, sondern sich auch als ehemalige Frontfrau der Band Even Cowgirls Get The Blues wenig zimperlich zeigte. Den Baß der „Bandits“ spielt Angel, eine juvenile Heiratsschwindlerin mit verträumtem Blickund exorbitanten Verführungskünsten. Ihr Alter ego ist die Berlinerin Nicolette Kiebitz, vielgelobt bisher vor allem für ihre sensible Darstellung einer HIV-Positiven in „Ausgerechnet Zoe“. Am Schlagzeug sitzt Emma, kühl, geradlinig und nicht nur in Krisensituationen der denkende Kopf der flüchtigen Knast-Truppe. Eine Rolle für Katja Riemann, vielfach ausgezeichnete, lang erfahrene, omnipräsente Darstellerin des deutschen Filmgeschäfts, die ihren noch nicht ganz so abgeklärten Kolleginnen nach deren Auskunft auch während der Dreharbeiten öfter vorbildhaft die Richtung weisen konnte. Zu der Basis der „Bandits“ stieß später Jutta Hofmann, besetzt als Männermörderin in den Vierzigern, die leicht verwirrt mit den Mädels Klavier spielt, jedoch an der Entstehung der Geschichte und der Musik nicht beteiligt war.

Die Geschichte, so Katja von Garnier, hat sich in einer Nacht entwickelt: „Auf einmal waren die Grundelemente da: Band im Knast, Polizeiball, Geiselnahme. Als das stand, ist der Rest nur so gepurzelt, das ging auch deswegen so schnell, weil die Besetzung schon klar war, und die Charaktere die Handlung von selbst vorantrieben.“

Der Musikfilm war geboren, fehlte nur noch die Musik. Denn, so Fachfrau von Garnier: „Die Idee zu dem Projekt hat bei der Musik angefangen. Weil wir uns zuerst überlegen mußten: Musikfilm, was ist das eigentlich? Man assoziiert damit aus der Vergangenheit heraus automatisch etwas Albernes oder Lustiges. Die Grundidee dieses Films aber ist, Musik zu benutzen als Ventil für bestimmte angestaute Gefühle wie Wut, Aggression, Zorn, Verzweiflung. So sind wir auf das Knastmotiv gekommen, als Plattform für Charaktere, die mit solchen Gefühlen auch leben. Gleichzeitig ist die Musik auch die Brücke der Figuren zueinander und erzählt die Freundschaftsgeschichte der Frauen.“

Musik sollte ihren Film erzählen, Dialoge ersetzen, die Handlung vorantreiben, deswegen ging es vor der Zeit am Set erstmal ins Studio. Und auch hier funktionierte das Rundum-Konzept der Frauentruppe auf wundersame Weise. Die Darstellerinnen selber haben sich als Komponistinnen versucht (Jasmin Tabatabai hat darin ja Erfahrung, Katja Riemann hat mal Gitarre gelernt, und Nicolette Krebitz summt ihre musikalische Intuition) und letztendlich alle professionellen Konkurrenten ausgestochen. „Natürlich nicht, da wir unglaublich fachkundige Musikerinnen sind,“ gesteht Jasmin Tabtabai ein. „Aber wir waren so mit dem Projekt und den Figuren verwachsen, da fiel es uns natürlich leichter, Lieder auf Sitationen im Film bin zu schreiben.“ Ihre Regisseurin haben sie letztlich überzeugt: „Die Lieder der drei waren audientischer, hatten mehr Seele.“

Deswegen hat der Film „Die Bandits“ einen Soundtrack, der mehr ist als nur Filmmusik, er ist ominöserweise die eigenständige Platte einer fiktiven Band. Die „Bandits“-Musik ist Mädchen-Musik, hübscher Pop-Rock, schlichte Romantik, ein wenig Rotz und einige eigenwillige Arrangements, wohl auf Wunsch der Komponistinnen eingestreut. Der Grundstock dagegen ist solide: Die Gesangsstimmen der Mädchen tönen über Klänge derer, die da immer sind: Curt Cress, Peter Weihe, produziert wurde das Album von Udo Arndt. Alte Hasen liefern den doppelten Boden.

Aber es ist ja auch nur Musik zu einem Film, der von der Freiheit träumt, mit Schauspielerinnen, die „es sich mal gegönnt haben, Popstar zu sein. Schließlich wünscht sich das doch jeder, oder?“, fragt Nicolette Krebitz kokett und schiebt die Erklärung der eigenen Neigung gleich hinterher: „Viele Schauspieler haben eine starke Beziehung zu Musik. Wenn ich Musik höre, überlege ich mir immer sofort, was ich dabei empfinde und wie ich das ausdrükken könnte. Das ist nun mal unser Beruf- wenn man einen Film sieht, Musik hört oder eine schöne Landschaft sieht, fühlt man sich zuständig als Schauspieler, und versucht, so blöd das vielleicht auch ist, alles auf sich zu beziehen und irgendwie auszudrücken.“

Um Musik für sich auszudrücken, hat Nicolette Krebitz bislang getanzt; ein Instrument zu lernen „hat immer zu lange gedauert“. Die Filmrolle hat ihr Baßspielen beigebracht, und als jugendliche Verführerin „Angel“ umgarnt sie nun das Instrument, als würde es zu ihr gehören. Auch wenn sie schwierige Baß-Parts bis heute (und ebenfalls auf dem Soundtrack verewigt) lieber summt als spielt. Jasmin Tabatabai gibt im Film alle Frontfrau-Posen ohnehin mit der Perfektion einer Bühnenerfahren.

Produzent Udo Arndt war vom Klang-Ergebnis der Damen überrascht, von der äußeren Anmut begeistert: „So – wünscht man sich sollten sich manche Musiker mit ihren Instrumenten bewegen.“

Realitäten verschwimmen auch innerhalb der „Bandits“-Truppe. Katja Riemann, die solide Bundesfilmpreisträgerin, hat das Unternehmen vielleicht am meisten Arbeit gekostet. Wochenlang hat sie Schlagzeug gelernt, um im Bild synchron ihre Einsätze zu den uhrwerk-artigen Vorgaben eines Curt Cress spielen zu können. Bei ihr klingt vom Jugendtraum nichts nach, hier spricht die reife Schauspielerin: „Ob man mal Popstar werden wollte oder nicht, es ist müßig, sich darüber Gedanken zu machen, denn wir können Popstars spielen. Wir können imitieren, können erdenken, können erfühlen und das ist etwas, das glücklich macht als Schauspielerin. Wir haben nicht den Druck, jede Sehnsucht verwirklichen zu müssen.“

Das Werbekonzept des Unternehmen „Bandits“ sieht es anders – zum Soundtrack gibt es die Single „Catch Me“ und ein Video. Und vielleicht sind morgen vier Frauen Popstars, die nur welche spielen wollten.

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