Neue Musikbücher: Wolfgang Doebeling über „Let It Bleed – Die Rolling Stones, Altamont und das Ende der Sixties“ von Ethan A. Russell.
Beredte Bilder und Insider-Geplauder zum fatal endenden 69-Tross durch Amerika liefert dieser nun im Edel-Verlag auf Deutsch erschienene Band. Dazu gibt's eine Bildergalerie.
Es sind die Schlaglichter, von Fotograf Russell auf tumultarische Geschehnisse und Rückzugsszenarien geworfen, die den Reiz dieses Bandes ausmachen. Ausschnitte nur, wie zufällig von der Kamera erfasst, Nebenschauplätze und Indiskretionen, die sich wie ein Puzzle zu einem Helden- oder zu einem Sittengemälde fügen, je nach Blickwinkel.
Die Stones am Spieltisch in Vegas, das Hakenkreuz auf einer Biker-Jacke, eine Rauchbombe im Orchestergraben: an sich Peripherie, zusammen das zentrale Nervensystem einer Tour, die alle Höhen und Tiefen durchmaß, die Triumphe feierte und im Albtraum von Altamont endete. Natürlich wird nicht mit Show-Impressionen gegeizt, frontal-heldenverehrend und total-massenbelichtend, doch sind es eher die von der Bühnenseite geschossenen Fotos, die eine Ahnung von Aufladung und explosiver Entladung der Konzerte vermitteln. Stanley Booth Insider-Kommentare, wiewohl aus früheren Veröffentlichungen längst bekannt, liefern Informationen dazu, analytische wie anekdotische. Wir erfahren in Wort und Bild, warum sich Linkshänder Jimi Hendrix backstage an Mick Taylors Gitarre versuchte, die für ihn verkehrt herum aufgezogenen Saiten „wie ein Zauberkünstler“ bewältigend, so Booth. Little Richard rauschte herein, Chuck Berry machte seine Aufwartung und „selbst Keith, der dem Tod ins Gesicht grinst“, so beschreibt Booth das Treffen, „wirkte wieder wie der, der er war, als er Chuck Berry das erste Mal hörte: ein kleiner englischer Schuljunge“.
In Chicago schaffte es Polit-Aktivist Abbie Hoffman nach tagelangen Versuchen, zu Mick vorzudringen. Er hatte sich zuvor am Telefon als Elvis ausgegeben, war damit aber nicht durchgekommen. In der Garderobe, kurz vor dem Auftritt, kam es dann zu Gespräch und viel gemeinsamem Gelächter. „Sex ist dein Ding, meins ist Gewalt“, soll der Straßenkämpfer gutgelaunt resümiert haben. Dann ging er Jagger um Kohle an: „Könntet ihr uns Geld für unseren Prozess leihen? Es ist teuer, die Revolution durchzuziehen.“ „Wir haben unsere eigenen Prozesse“, gab der Sänger zurück und ließ ihn stehen. Einer gewissen Komik entbehrt auch nicht die Drohung von Ian Stewart, abgelichtet als Gitarrenträger im weißen Frack. Es werde die Stones „ein Vermögen kosten, wenn ich mit ihnen spielen soll“, wird der Pianist zitiert, „und noch mehr, wenn ich einen Smoking tragen muss. Jeden Abend cash auf die Hand: eintausend Dollar – mit Smoking zweitausend.“ (Edel, 40 Euro)
Wolfgang Doebeling
Alle weiteren Infos finden sich auf der Website des Edel Verlags.