New Noises Vol. 59

Würde man aus den Musikern der "New Noises" dieses Monats eine Supergroup formen, bekäme man eine hauptsächlich aus Kanadiern bestehende, bisexuelle "The"-Band mit ausgeprägter Popsensibilität, die bevorzugt über Granatäpfel singt. Hier versuchen sie es aber erst noch mal jeder für sich...

1. Die neue „New Noises“ beginnt mit alten Bekannten, denn HOT HOT HEAT kennen wir schon von der Februar-Ausgabe, als sie uns mit einem Song von ihrer EP „Knock Knock Knock“ in einen unruhigen Schlaf sangen. Nicht immer stand die Band aus dem kanadischen Victoria für diese Punk-/New Wave-Explosion. Zunächst versuchten die Vier sich mit nur mäßigem Erfolg an kantigem Synth-Hardcore. Auf ihrem Album „Make Up The Breakdown“ machen sie jedoch dort weiter, wo sie mit der EP aufgehört haben und werden dafür von der britischen Presse auch ganz doll umarmt Weniger raubeinig als beispielsweise die Libertines, sind sie dafür näher am rabaukigen Pop-Appeal des frühen (und späten) Joe Jackson und der – ebenfalls frühen – Attractions. „Anti’oxidants have got me causing accidents/ Because my wine is spiked with pomegranete./ If you ‚ve got just one, then slam it.; Oh! Oh Goddamnit! I think Fve lost it!/ Oh God! Goddamnit, I think I’ve lost you!“ singen sie auf „Oh Goddamnit“. Uns haben sie damit jedenfalls nicht verloren. Gott sei’s gedankt.

2. Jetzt aber ab in die Garage: THE THERMALS aus Portland klingen auf ihrem ersten Album „More Parts For Million“ wie ein Demoband aus dem Jahr 1977, was allerdings nicht zu Lasten der Eingängigkeit ihrer Songs geht. Für ihre 13 Stücke brauchen sie nicht mal eine halbe Stunde. Kaum vorstellbar, dass zwei der Bandmitglieder, Hutch Harris und Kathy Foster, ansonsten ein Folk-Duo bilden. Weiterhin dabei: Ben Barnett von Kind of Spitting und Jordan Hudson von den Experimentalisten Operacycle. Wie eine Supergroup klingen die Thermais trotzdem nicht.

3. Wer das Orgel-Intro von „Jerk It Out“ der schwedischen Band CAESARS (in ihrem Heimatland heißen sie Caesars Palace) einmal gehört hat, kriegt es nicht mehr aus dem Kopf. Auf ihrem Album mit dem wunderbaren Titel „39 Minutes Of Bliss (In An Otherwise Meaningless World)“ spielen sie ähnlich wie ihre Landsleute von The Hives in der Garage geschulten melodischen Rock. Die, „Jerk It Out“-Version auf den „New Noises“ dieses Monats gibt’s ansonsten nirgendwo zu hören: eine exklusive Live-Version von einem MTV-Auftritt, die eigentlich nicht zur Veröffentlichung bestimmt war.

4. Multiinstrumentalist und Bandvorsteher Joe! Gibb nennt die Musik seiner HIDDEN CAMERAS gerne treffend „gay church folk music“. Und tatsächlich steckt da schon alles drin, was diese Band ausmacht. Musikalisch liegt der schmissige Folk-Pop von „The Smell Of Our Own“ nicht weit entfernt von Belle & Sebastian oder den Magnetic Fields. Thematisch allerdings schon. So pendeln die nicht immer ganz geschmackssicheren Texte zwischen Sakralem, Körperlichkeiten und den Vorzügen der gleichgeschlechtlichen Liebe.

5. Apropos gleichgeschlechtliche Liebe: George Michael haben BLACK BOX RECORDER nie gemocht Sie standen auf seinen Wham!-Kompagnon Andrew Ridgeley. Auch wenn dieser Gitarre und niemals Synthesizer spielte, wie sie in ihrer Würdigung „Andrew Ridgley“ (ja, ohne „e“) nahe legen, ist der Song von ihrem dritten Album „Passionoia“ wieder Pop vom Feinsten. Anders hätten wir das von unserem Lieblingsbriten Luke Haines (The Auteurs) und John Moore (The Jesus & Mary Chain) auch nicht erwartet.

6. Apropos alte Helden: In diese Kategorie fallen sicherlich auch Matthew Sweet, Pete Droge und Shawn Mullins, die nun als Indie-Supergroup (scheint ein neuer Trend zu sein) THE THORNS gemeinsame Sache machen. Zumindest an Sweets Power-Pop-Output gemessen geht es auf dem selbstbetitelten Album recht gemütlich, ja rootsig zu. Mehrstimmige Harmonien, akustische Gitarren, ein Cover des Jayhawks-Kkssikers „Blue“. Natürlich haben die drei ihr Popgespür dabei nicht abgelegt, wie man beispielsweise auf dem Opener, „Runaway Feeling“ hören kann. Die nächste Indie-Supergroup steht übrigens, wo wir schon mal dabei sind, auch schon in den Startlöchern: The Bens – Ben Folds, Ben Lee und Ben Kweller. Da wird es bestimmt weniger beschaulich countryesk.

7. Countryesk sind aber in jedem Fall RILO KILEY. Man ist sich nicht ganz sicher, ob es sich um eine Countryband mit Independent-Rock-Einflüssen handelt oder vielleicht andersrum. Letztendlich ist das natürlich auch egal, denn das zweite Album des Quartetts aus Los Angeles, „The Excution Of All Things“, ist mal wieder eine äußerst gelungene Veröffentlichung des in den letzten Monaten so viel beachteten Saddle Creek-Labels (Bright Eyes, The Good Life, Azure Ray). Natürlich sind auch wieder reihenweise Gastmusiker aus Omaha, Nebraska dabei.

8. Es war nicht, wie in Paul Thomas Andersons großartigem „Punch Drunk Love“, ein Harmonium, das die Sache ins Rollen brachte, sondern eine Orgel, die Thomas Lang, Matthias Wendl, Johannes Uschal und Roman Maul auf einem Dachboden in Nürnberg fanden. Daraufhin gründeten sie die Band THE ROBOCOP KRAUS. Eine Anzugträgercombo mit bestimmtem Artikel im Namen. Da weiß man schon, wo’s langgeht: Sie sind quasi die fränkische Antwort auf The Hives. Der Kraus im Bandnamen ist übrigens Peter. Ja, genau, der aus „Wenn die Conny mit dem Peter“. Hört man „Living With Other People“ aber nicht an. Nichtsdestotrotz warten wir jetzt natürlich gespannt auf The Terminator Herold und The Rambo Quinn.

9. Keine Orgel haben THE BLACK KEYS aus Akron, Ohio. Nein, nicht mal einen Bass haben die. Aha, aha, denkt da der kundige Pophörer. Jon Spencer Blues Explosion! White Stripes! Ja, genau. Doch Black Keys-Gitarrist Dan Auerbach und Schlagzeuger Patrick Carney haben auf ihrem zweiten Werk „thick freakness“ wohl eher Jimi Hendrix als Bund Willie McTell im Sinn. Traditionalisten, Blues-Revival, kein Jota Ironie, versteht sich. Barte und Koteletten. Das ganze Album, auf dem auch Coverversionen von Richard Berrys „Have Love Will Travel“ und Junior Kimbroughs „Everywhere I Go“ zu hören sind, haben sie an einem Tag aufgenommen. Vollkommen analog wahrscheinlich. Mit Equipment aus dem Rock-Holozän. Gibt’s aber für Nachgeborene auch auf CD zu kaufen.

10. Eine gewisse Bekanntheit erlangten THE POSSIBILITIES wohl zunächst als backing band von Indie-SongschreiberJack Logan auf seinen Alben „Buk Me In“ von 1999 und dem 2001er Nachfolger „WonkeyPaw“. Außerdem kommen sie aus der B52’s/R.E.M./ Vic-Chesnutt-Heimat Athens, Georgia, was auch immer schon eine Geschichte wert ist. Dass sie diese Verweise eigentlich gar nicht brauchen, um Gehör zu finden, beweisen sie auf ihrem zweiten Album „Way Out“.

Klassischer Power-Pop mit einigen verspielten Gran daddy und Flaming Lips-Anleihen. Auch The Minus 5 (eine Indie-Supergroup!), deren Scott Mc-Caughey die liner-notes schrieb, sind ja keine schlechte Referenz. „The Possibilities have been making music since they were born. No one knows why“, schreibt er. Aus interesselosem Wohlgefallen vermutlich.

11. Aus einer vollkommen anderen Richtung kommen die wohl schon allseits bekannten TURBONEGRO aus Norwegen, die mit „Scandinavian Leather“ nach ihrem breakup 1998 quasi ein Comeback feiern. Und was für eins. Die Einflüsse liegen immer noch im melodiösen 80er Jahre-Metal. Quiet Riot, Mötley Crüe, Judas Priest und immer schön auf die Fresse. Spektakel-Gitarre. „No use in kneeling down/ When there’s no tomorrow/ I teel it Coming like never ever before/ So let your tanks roll on.“ – Juck die World“! Jawoll! Heavy-rocking than’s Village People.

Am Ende wird’s noch mal beschaulich. Erinnern Sie sich an die Songzeile, die Hot Hot Heat in „Oh Goddamnit“ sangen? „Anti-oxidants have got me causingaeeidents/ Because my wine is spiked with pomegranete.“ Dem Granatapfel, englisch: POMEGRANATE, begegnen wir hier wieder, denn so heißt das märchen bzw. mädchenhafte Projekt von Vanessa Riggs und Stef Mc-Günchey. Sie elfengleiche Chanteuse, er nerdiger Soundtüftler. Das alte Trip-Hop-Muster, Ätherisch, schön “ On Black Peak“. Und wenn sie nicht gestorben sind…

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