R.E.M. Live in Honkong

Am Tag danach war vor allem die Bühnenkleidung Stadtgespräch: Mike Mills im veilchenfarbenen Torrero-Bolero, Stipe mit US-Mail-Mütze auf der Beinahe-Glatze damit fiel man auf in der konservativ-snobistischen Kronkolonie, wo selbst 16-jährige im Maßanzug herumlaufen. „Should have washed my Jeans“, frotzelt Peter Bück angesichts der herausgeputzten Model-Menge vor der Bühne. Packt die Rickenbacker und legt ein wummerndes Tremolo-Intro vor. ‚What’s The Frequency, Kenneth?‘

R.E.M.s Frequenz an diesem Abend ist klar; laut, kantig, druckvoll – selbst bei den ruhigen Moll-Miniaturen von „Automatic“ zucken die Finger an den Lautstärke-Reglern. Wer wegen kammermusikalischer, Zippo-unterstützter Kollektiv-Gänsehaut hier ist, liegt falsch: Nachdem man ihnen in den letztenjahren von allen Seiten beteuert hat, sie, ganz allein sie seien die Ziehväter der „Generation Alternative“, haben R.E.M. Mandolinen und Celli zu Hause gelassen. Stattdessen schaffen zwei zusätzliche Gitarristen Bück Raum für glasklare Arpeggios und schönste Townshend-Windmühlen. Mills grinst die ganze Zeit in seinen neuen Anzug hinein.

Und Stipe? Stipe, wegen dessen alle gekommen sind, Stipe, der mysteriöse Prophet, Verführer, Charismariker? Stipe schwenkt den Mikrofon-Ständer, trudelt wie ein angeschossener Doppeldecker über die Bühne und läßt sich in Berrys Schlagzeug fallen.

Natürlich kann, will, soll ihn niemand verstehen: Ansagen werden genuschelt, Texte über Obsessionen, Sex und Psychosen entweder verschluckt oder mit schneidendem Falsett in den Nachthimmel geschickt. Damit’s nicht langweilig wird, singt Mills zwischendurch, Berry zupft am Baß, und Stipe entlockt einer bedauernswerten Gitarre einige Barre-Akkorde – was nicht gut klingt, aber zumindest so aussieht. Bloß die Songs aus der College-Rock-Ära vermißt man – hätten gut gepaßt zum geradlinigen, schnörkellosen Sound. So blieb der „Finest Worksong“ das älteste Stück, und das grandiose „It’s The End Of The World“ das beste – das war’s. Auch die permanenten „Shiny Happy People“-Forderungen aus den Reihen der Maßgekleideten können R.E.M. nicht umstimmen: „Wir sind keine Jukebox!“, zischt Stipe ins Mikro. „Wir spielen, was wir wollen.“ Recht so.

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