45 R.P.M. :: VON WOLFGANG DOEBELING

Die Alarmglocken der Stilwächter des United Kingdom klingelten Sturm, als PAUL WELLER neulich im Fernsehen mit Schnäuzer auf bat und in Klamotten, die „Second Hand!“ kreischten. Ein paar Kommentare fielen recht gehässig aus, und so gut wie kein Beobachter mochte auf sarkastische Wortspiele verzichten, in denen die Worte „Style“ und „Council“ eine tragende Rolle spielten. Den ehemaligen Godfäther Of Cool schien das freilich wenig zu jucken. Weller war die Welt der Cappudno Kids schon vor gut zehn Jahren zu eng geworden. Seither ist er auf dem „musikalischen Trip“, wie sein Kumpel Steve Cradock von Ocean Colour Scene wähnt. Zu der Musik mithin: „Brand New Start“ (Island) und die beiden B-Seiten „Right Underneath It“ und „The Riverbank“ sind ruhig fließende, halbakustische Folk-Pop-Stücke ohne Fisimatenten und Fanfaren. Humble Pie in der Hippie-Chül-Out-Zone. Feine Single. Den Rest von Wellers Hit-Sammlung hat der Fan schon. Doch aufgepaßt: Diese „Modern Classics“ gibt es auch als limitierte Doppel-LP mit Bonus-Live-Scheibe. Und für Ästheten – als Box mit vier 7inch-EPs. Wirklich schön. 4,0

Wie Paul Wellers auf halbem Wege zwischen The Jam und The Style Council, klingen THE UPPER FIFTH auf „Lyin‘ To You“ (Detour). Small Faces statt Humble Pie. Die Hammond wummert, die Rhythm Section treibt, und der Song ist Modpop pur, lyrisch flach, aber melodisch engagiert. Gegen Ende meint man wahrhaftig, Weller im Duett mit Steve Marriott zu hören.

Fulminant. 4,0

LODGER bestätigen auf „Small Change“ (Island) ihren Ruf als kommende Pop-Großmeister. Schwermütiger Takt, Piano-Etüden, Crescendos, viel Bowie, ein bißchen ABC, hochdramatisch, irritierend. Nicht ganz so perfekt wie der Vorgänger „Always Round Here“, aber wie gesagt: the shape ofthings to cotne. 4,0

CATATONIA melken derweil ihre Platin-LP international Velvet“ bis zum letzten Tropfen. „Game On“ (Blanco Y Negro/WEA) ist also bekannt, Cerys zeigt mal wieder ihre Krallen. Nun ja. Als Kaufanreize werden drei Faktoren ins Feld geführt: Idasse Pic-Sleeve mit Poster, grünes Vinyl und eine phantastische Live-Version von „Strange Glue“ auf der Rückseite, akustisch und mit einer Ms.Matthews, die in dreieinhalb Minuten alle Register ihrer Sangeskunst zieht, von Schmusekätzchen bis hungrige Löwin. 4,0

Ihre Debüt-LP „We May Be Skinny & Wirey“ erwies sich als ein gemischtes Vergnügen, doch auf der Single bleiben THE CROCKETTS aus Wales verläßlich: „Explain“ (Blue Dog/V2) ist voller Kontraste. Die Gitarre perlt, der Rhythmus ein flotter Trab, der im Refrain anzieht und den bis dahin recht ruhigen Vocals die Peitsche gibt Lustig ist die völlig überdrehte Version von Glen Campbeils „Rhinestone Cowboy“ auf der B-Seite. „Rhinestone Cowpunk“ würde wohl besser passen. 3,0

Das bestgehütete Geheimnis von Pop-Britannien sind noch immer GRAND DRIVE, deren Singles so bezaubernd wie obskur sind, leider. „Wrong Notes“ (Loose Sound) wird diesem Mißverhältnis wohl kaum abhelfen. Zu subtil, zu wenig spekulativ. Glockenspiel und Mandolinen, das Tambourine leise, die Orgel verhalten, der Gesang intensiv, aber introvertiert Die Flipside „Falling Out“ leidet unter denselben Symptomen. Herbe Harmonies, dezente Drum-Rolls, klasse Song, keine Chance im wetterwendischen Popgewerbe. Noch nicht Die Zeit von Grand Drive wird jedoch kommen, demnächst Amen. 4,5

Die Zeichen der Zeit erkannt haben HEPCAT, deren kalifornische Ska-Variante heftig mit dem Swing flirtet und so ein nicht unbeträchtliches. Crossover-Potenüal entfaltet. „No Worries“ (Hellcat/Epitaph) selbst ist ein leichtgewichtiges, konsequenzloses Stück Gutelaune-Synkopik, produziert von Dexy’s Midnight Runners-Drummer Stoker. Die drei in Portland, Oregon, live aufgenommenen restlichen Tracks dieser EP machen indes deutlich, warum Hepcat gleichermaßen Anklang finden bei Rüde Boys, Reggae-Fans, Skateboard-Kids, Neo-Mods und Swing-Cats. Besonders positive“ hat es in sich, langsam, linde, sinnlich. Der Baß sanft schaukelnd, der Gesang verhalten. Wie ÜB 40 mit Gefühl, wenn die Vorstellungskraft denn so weit reicht. 3,5

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