Alejandro Escovedo The Boxing Mirror
Die ersten Songs klingen, als hätte John Cale diese Platte nicht nur produziert. Das elegische Cello-Spiel, die zerrende Gitarre in „Arizona“, der galoppierende Bass und die rasiermesserscharfe Violinen-Figur im gespenstischen „Dear Head On The Wall“ („And the softness of knowing hurts“), die Stooges- und Nirvana-Attacken in „Notes Of Air“: Alejandro Escovedo ist ein Meisterschüler in Atmosphäre, Surrealismus und musikalischer Ökonomie. An zwei dieser beängstigenden Stücke hat freilich nicht Cale, sondern Kim Christof? mitgeschrieben.
Escovedo war bekanntlich an Hepatitis C erkrankt, und weil die finanziellen Mittel für adäquate Behandlung fehlten, nahmen befreundete Musiker (Escovedo hat viele Freunde) ein Tribut-Album auf. Nach fünf Jahren ist „The Boxing Mirror“ nun die erste Platte Escovedos, die Krankheit hat er überstanden, kürzlich sogar geheiratet. „Notes On Air“, „Looking For Love“ und „Died A Little Today“ erinnern in kryptischer Poesie an die Traumata, und selten hat man den Texaner faszinierender gehört.
Doch nicht alles auf diesem Album hält das atemraubende Niveau des Auftakts. Stetig sentimentaler werden die Songs, immer unsubtiler instrumentiert: „The Ladder“ verbreitet mexikanische Willy-DeVille-Gemütlichkeit, der Gitarren-Rock von „Break This Time“ evoziert Lou Reed, „Sacramento & Polk“ lärmt schwer, „Take Your Place“ strapaziert mit Synthesizer-Fanfaren das Gemüt, „The Boxing Mirror“ mäandert zum Trauermarsch-Schlagzeug dahin. Was bei Cales eklektischen Stücken noch angehen mag, gerät bei Escovedo zur Grütze aus Roots-Rock-Eklektik und esoterischer Spintisiererei.
Echt schade, Mann.