Black Sabbath

Paranoid

Sanctuary (Universal)

Wer würde bestreiten, dass die Stärke des Rock in seiner primitiven Einfachheit liegt? Das richtige Riff zur richtigen Zeit am richtigen Platz. Bei Black Sabbath wog es gefühlte 20 000 Tonnen und war so zäh und düster wie ein Albtraum, aus dem man nicht mehr erwacht. Die Kritiker sahen das ganz ähnlich und schrieben die Band aus Birmingham deshalb in Grund und Boden.

Für seriöse Autoren wie Lester Bangs war das am Freitag, dem 13.2.1970 veröffentlichte Debütalbum eine Zumutung: Friedhofsglocken als Intro und dazu ein okkulter, dumpf dröhnender Blues-Rock- meine Güte. Doch die Kids schlugen die Warnungen der Profi-Hörer in den Wind- Top 10 in England, Platz 28 in den USA.

Deshalb ging es schon vier Monate nach Veröffentlichung von „Black Sabbath“ wieder ins Studio- obwohl die Band noch nicht einmal ansatzweise genug Songs hatte. „Paranoid“, der Titelsong des Albums, entstand dann auch erst in letzter Sekunde. 20 bis 25 Minuten dauerte das Schreiben des kompletten Stücks, gab die Band später selber zu. Der zunächst geplante Albumtitel „War Pigs“ musste ausgetauscht werden: Warner befürchtete, Befürworter des Vietnam-Kriegs könnten sich darüber empören.

Der Song gleichen Namens eröffnete dann trotzdem das Werk und warf lustvoll-dumpf Generäle, Hexen und schwarzen Messen in einen Topf, während Iommi und Ward mit militärischer Präzision ihre stilbildenden Gitarre-Bass-Doppelschläge ausführten. Eine noch nie gehörte, sprungbereite Kraft lauerte hinter diesem Sound, der weniger auf eine befreiende Ejakulation zusteuerte wie bei Led Zeppelin, sondern sich lieber in den Wonnen endloser Verzögerung suhlte.

Heute schwärmen selbst Intellektuelle von Ultra-Heavy-Bands wie Sunn, der Rest hört sowieso Metallica, aber damals gab es einfach noch keine Riffs, die Erdbeben und Naturkatastrophen imitierten – das boten allein Black Sabbath. Nach der Erfindung des Punk wurde die Rock-Geschichte von Fans wie Henry Rollins und Rick Rubin deshalb schnell korrigiert. Seitdem gelten Black Sabbath, je nach Standpunkt, als Erfinder oder Mit-Erfinder des Heavy Metal.

Am besten hört man das in Stücken wie „Iron Man“. Der sagenhaft simple Anfang ist eine der Sternstunden des harten Rock, vergleichbar nur mit ausgewählten AC/DC-Stücken und „Smoke On The Water“. Der nasal quengelnde Gesang gibt den Beelzebub-Gitarren noch einmal zusätzlich Zucker. „Electric Funeral“ fasst das Lebenswerk von Glenn Danzig in einem einzigen Song zusammen: Es muss der Leibhaftige selber gewesen sein, der Tony Iommi hier die Schlaghand führte, und es ist bestimmt nicht der Fuß eines Sterblichen, der das Wah-Wah-Pedal tritt.

Wer jetzt immer noch nicht Zeige- und kleinen Finger abspreizt, um den Fürsten der Finsternis zu huldigen, möge „Hand Of Doom“ hören. Monster Magnet haben diesen Song jahrelang studiert, immer wieder aufs Neue variiert und dennoch nie ereicht. „Paranoid“ muss man niemanden mehr erklären, kleiner schmutziger Rocker, ewig groß. „Planet Caravan“ überzeugt dann sogar Kritiker der Band mit seiner krautrockig bekifften Stimmungsmalerei.

Die beiden letztgenannten Stücke gibt es auf der Bonus-CD dieser Schmuck-Edition als „alternative lyrical version“, den Rest als „instrumental“. Braucht kein Mensch, ist aber genauso im Paket enthalten, wie ein „1974 Quadrophonic Mix“. (Universal)

Jürgen Ziemer