Bon Jovi

Have A Nice Day

Universal

Endlich mehr Rock, weniger Balladen – aber natürlich doch nichts Neues.

Gestern nacht sah ich im Vorbeizappen bei Viva ein Video, in dem junge Menschen sinnlos herumliefen. Eine Band war nicht zu sehen, dafür hörte man sehr laut eine Gitarre und gepreßten Gesang. Es hat genau zweieinhalb Sekunden gedauert, bis ich wußte, daß dies die neue Bon Jovi-Single sein muß. Heute kam das neue Bon Jovi-Album an – und ich kannte es schon, obwohl ich es noch gar nicht ausgepackt hatte. Ich wußte genau, was ich zu erwarten hatte. Das ist wie mit der Familie: Sie nervt zwar oft, aber man kann sich immer auf sie verlassen.

Eine klitzekleine Überraschung bot „Haue A Nice Day“ dann aber doch. Was Bon Jovi bei den letzten beiden Alben immer nur angekündigt und nicht gehalten hatten, stimmt diesmal: Es gibt mehr Kracher als Balladen, es rockt gewaltig- vor allem am Anfang. Schon das erste Stück, die Single, der Titelsong: Bon Jovi-Gitarre, Bon Jovi-Trommeln, Bon Jovi-Melodie – und ein so typischer Bon Jovi-Text, daß ich vor Freude lachen mußte. Hey, leb dein Leben, laß dir nichts erzählen, bleibt du selbst! Ein Zitat, weil’s so schön ist: „I ain’t gonna do what I don’t want to, I’m gonna live my life/ Shining like a diamond, rolling with the dice/ Standing on the ledge, I’ll show the wind how to fly…“‚Ja, wir kennen das von „Livin‘ On A Prayer“, „Wanted Dead Or Alive“. „Keep The Faith“, „Someday l’ll Be Saturday Night“, „Sleep When I’m Dead“, „These Days“, „It’s My Life“, „Bounce“ – spontan aufgezählt, es gibt sicher noch mehr Songs, die sich um die Themen Selbstverwirklichung/ Hartnäckigkeit/Glück im Alltag drehen.

Nun braucht wirklich keiner mehr den typischen Desmond-Child-Klopfer, in dem Amerika wohlwollend sozialkritisch betrachtet wird (das Stück heißt „Bells Of Freedom“), und der neue Co-Autor ist nicht viel besser. John Shanks schreibt und produziert neuerdings ja für jeden von Sheryl Crow über Ashlee Simpson bis Joe Cocker – und so beliebig klingen Lieder wie „I Want To Be Loved“ dann auch. Das können Jon Bon Jovi und Richie Sambora allein besser, meistens.

Die Band, die mit „Runaway“ ihren ersten Hit hatte, fragt jetzt:

„Who Says You Can’t Go Home?“ Sie haben keinen Bock mehr auf Kindereien. Der Vorwurf, nur eine poppige Plastik-Version von echtem Hardrock zu sein, verfolgt Bon Jovi seit mehr als 20 Jahren – und lange haben sie nicht mehr so ehrlich geklungen wie in „Last Man Standing“. Die machen das, was sie tun, schon gern – und wenn die Kids ihre Platten nicht mehr kaufen, soll ihnen das egal sein. „So keep your pseudo-punk, hip-hop, pop-rock junk/And your digital downloads.“ Das ist doch mal eine Ansage. Weitere Erkenntnisse: Liebe ist wie die letzte Zigarette; wilde Blumen sind schöner als gezüchtete; im Leben kann alles passieren, und das ist ganz in Ordnung so.

Es sind drei Jahre vergangen seit dem letzten Bon Jovi-Album. aber das fällt nicht auf, weil sich die Band seit Jahren nicht mehr verändert – weder musikalisch noch optisch. Ein bißchen befremdlich, aber wenn dabei jetzt zumindest wieder richtige Rocksongs herauskommen, soll es mich nicht stören. Bon Jovi müssen nicht Avantgarde sein, sie müssen nicht einmal so perfekt sein wie in den 80er Jahren. Solange sie nicht mehr so peinliche Stücke wie „Thank You For Loving Me“ schreiben, kann man mit ihnen leben. Sie tun doch keinem was.