Bright Eyes – Cassadaga

Der Beginn: eine Frauenstimme am Telefon, die Rede ist von Arizona, „wonderful grounds“, „sports“, dann heben Streicher und Bläser wie bei einer Orchesterprobe an. Die dissonanten Klänge dräuen, wie am Ende von „A Day In The Life“. Dann verstummen Stimme und Orchester, und Conor Oberst singt zur akustischen Gitarre und zur Pedal Steel „Clairaudients (Kill Or Be Killed)“, ehe die Streicher, jetzt harmonisch, zurückkommen, dazu Schlagwerk und ein zwitschernder Background-Chor. Plötzlich ist die Stimme am Telefon aber wieder da, Streicher und Bläser schmettern, „California, Nebraska. South Dakota, New York…“

So ist das neue Album von Bright Eyes: Es handelt sich um Country Music im Sinne einer topografischen wie bukolischen Folklore. Vorbei sind die kirmeskreiselnden, überschwänglichen Oden an Euphorie, Liebe und Tod der früheren Alben – hier sucht ein Mann das Land der Amerikaner (und sich selbst!) mit der Seele. Und wenn man sich erst gewöhnt hat an die seltsam ausgreifenden,orchestralen Lieder, dann erkennt man auch wieder die fein ziselierten, süchtigmachenden Melodien des Conor Oberst. Es ist eine Platte aus dem Geist der 70er Jahre, überladen und traumartig, vielstimmig, streichersatt, manchmal wie eine Weise von Simon & Garfunkel, manchmal ätherisch wie bei Nick Drake, das Spiel der Musiker verwoben und pompös wie bei Gene Clarks „No Other“. Erst langsam, vielleicht beim Flöten-Folk, dem chorhaft gesetzten Mädchengesang und den Streicherkaskaden von „Make A Plan To Love Me“, bekommt man eine Ahnung davon, dass Oberst ein Musical geschrieben hat, etwas so Märchenhaftes und Versponnenes wie „Andromeda Heights“ von Prefab Sprout und „Smile“ von Brian Wilson.

„Four Winds“ ist ein Westwärts-Klopfer in optimistischster, mitreißendster Manier; „Soul Singer In A Session Band“ ein merkwürdig starrer, aufgekratzer, Squaredance-artiger Fiddle-Song, der mit dem Genre Soul nichts gemein hat; „Middleman“ surrt und klöppelt indisch wie einst die Incredible String Band: der „Coat Check Dream Song“ endet surreal mit arabischem Gebetsgesang; „the best Country singers end in the back of classic cars“, singt Oberst in „Classic Cars“. Fast am Ende der Platte deckt er mit „I Must Belong Somewhere“ die Karten auf:

Allen Entitäten auf Erden ist etwas zugeordnet, doch der Erzähler ist allem – und womöglich war dies das geheime, morbide Ziel seiner Reise.

Und dann, in „Lime Tree“ seinem größten, erschütterndsten Song – plinkert die Gitarre, die Stimme hallt, die Streicher heben bedrohlich an. Der Sänger wird er zum Waldgänger, „Standing on a doorstep full of nervous butterflies“, „my heart’s beating too loud“, die Streicher nehmen den Schmerz auf und flirren, „I missed you too much“, er prüft die Früchte am Baum, manche sind reif, manche verfault, „there would never be a time more opportune“. Und so verschwindet er am Ende seiner sentimentalen Reise im Gehölz, Walden auf dem Holzweg:

„I took off my shoes and walked into the woods/ I felt lost and found with every Step I took.“ Die vollkommene Vision des Stillseins.

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