Kriegsbraut :: von Dirk Kurbjuweit

So ähnlich gingen früher die Fremdenlegionärs-Märchen: Aus Ratlosigkeit und enttäuschter Liebe meldet sich die Berliner Barkeeperin Esther zur Bundeswehr und sitzt kurz darauf, im Frühjahr 2006, als Fernmelderin in Kundus, dem vom Diskurs umtosten Kriegs- oder Doch-kein-Kriegsschauplatz. Die Hauptfigur gehört also gleich zu zwei brisanten Minderheiten, zu den neun Prozent Frauen im Heer, zu den knapp 5000 deutschen Afghanistan-Soldaten – was die Konflikte erahnen lässt, die Dirk Kurbjuweit, „Spiegel“-Berlinbüroleiter und seit Jahren nebenher Belletrist, in seinem sechsten Roman aufreißt. Die Fehler aus Ingo Niermanns missglückter Trauma-Exploitation „Deutscher Sohn“ vermeidet der kluge Autor: Seine Story wird nicht von Schocks und Dicke-Hose-Vokabeln in Gang gehalten, sondern vom schweifenden Blick und angenehm spröder Berichterstattung. Endlich erfährt man mal, wie der vielzitierte Hindukusch eigentlich aussieht, wenn sich der Staub legt und ein weiterer öder Tag im Lager anbricht, in dem es teils zugeht wie im Landschulheim. Die Liebesgeschichte zwischen Esther und einem afghanischen Lehrer ist zwar einer der weniger überzeugenden Handlungsstränge, aber den zentralen Gedanken transportiert sie: wie der Krieg auch jenseits der Schlachtfelder das Leben bis zur Zeitlupe lähmt, ihm Optionen raubt, es in eine jämmerliche Ordnung zwingt. Keine umwerfende Erkenntnis – aber zu diesem schwierigen Zeitpunkt für ein Afghanistan-Buch ganz schön beachtlich. (rowohlt, 19,95 Euro) Joachim Hentschel

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