Lloyd Price

„Lloyd Rocks“

Die „American Bandstand“-Version, die Loyd Price auf dringliche Bitte von Dick Clark für dessen berühmte und den Umsatz jederzeit stark fördernde TV-Show von „Stagger Lee“ neu aufnahm, taucht auf „Lloyd Rocks“ auch nicht als Kuriosität auf. Die Gewalt, von der diese traditionelle Mörderballade handelt, wollte Clark vor seinem vornehmlich weißen Teenager-Publikum auf gar keinen Fall irgendwie verherrlicht wissen.

Also schrieb Price sie komplett um: Der Mord findet diesmal gar nicht statt! Am Ende gibt Billy hier Stagger Lee seine Freundin und auch das Geld, das er ihm schuldet, reumütig zurück. Damit wurde die erfolgreichste aller Versionen – mehr als vier Millionen verkaufte Singles damals allein in den USA – inhaltlich zwar zu einem Rührstück umfunktioniert. Aber dafür musizierten bei der Gelegenheit Price & Band – allen voran die Bläser – um einiges furioser noch als beim Original.

Der Karriere schadete die Konzession auf keinen Fall. Eigentlich ein gelernter Rhythm & Blues-Shouter bester Dave-Bartholomew- Schule und quasi über Nacht entdeckt und groß geworden in New Orleans mit seinen Specialty-Aufnahmen, wechselte Price kurz nach „Stagger Lee“ ins Pop-Fach.

„Personality“ war entschieden mehr Roll als Rock, „I’m Gonna Get Married“ auch das nicht mehr. Das hielt er für einen guten Schachzug. Nach eigenem Bekunden inspirierte ihn „Wade In The Water“ zu „Personality“. Wie, was ihm da durch den Kopf ging und was der Gospel-Klassiker mit dem Pop-Ohrwurm gemeinsam hat, ist eher rätselhaft. Aber er schrieb den Song in 20 Minuten. Fertig war der nächste Millionenseller.

Mitsamt dem begleitenden Chor war das Arrangement von „You Need Love“ zuvor genau genommen weit eher die Blaupause für den Hit gewesen als „Wade In The Water“. Gewisse Parallelelen zu sehr erfolgreichen Liedern von Fats Domino waren zwar nicht zu überhören. Aber „You Need Love“ mit den prominenten Bläsern und einem fabelhaften Saxofon-Solo als Proto-Soul zu bezeichnen, ist so abwegig nicht.

Es war wiederum die (musiko)logische Fortsetzung von „Just Because“, dem ersten Hit für ABC-Paramount nach der Rückkehr aus Korea und erfolgreich betriebener Entlassung aus dem Militärdienst. Klug geworden aus seinen Erfahrungen während der Jahre bei Specialty, gründete Price damals sofort sein eigenes Plattenlabel und hatte auch kein Problem, eine nationale Distribution für seine Aufnahmen zu finden.

Ziemlich enttäuscht musste er registrieren, dass „You Need Love“ nicht die Turbo-Zündung für sein Comeback wurde. Für ihn war das ein garantierter Hit wie sechs Jahre vorher sein Debüt mit „Lawdy Miss Clawdy“. Überhaupt kein Hit-Potenzial sah er dagegen in dieser alten Mörderballade, die er mit Kollegen in Korea öfter als Mini-Schauspiel aufgeführt hatte.

Die Specialty-Ära des Sängers dokumentiert am ausführlichsten die 2007 von SPV veröffentlichte CD „Lawdy Miss Clawdy“. Bear Family präsentiert die erste Label-übergreifende Retrospektive aus Specialty-, KRC- und ABC-Aufnahmen.(Bear Family)

Franz Schöler