Melissa Etheridge – Fearless Love
Es ist ja nie richtig, einen Künstler auf sein Frühwerk zu reduzieren. Und doch hat man immer noch diesen Gedanken, dass Melissa Etheridge die beiden besten Alben ihrer Karriere zu Beginn derselben gemacht hat. Als die E-Gitarren kamen und die standardisierten Produktionen, war das eine Enttäuschung, weil man das Intime, Akustische lieb gewonnen hatte.
Die neue Platte ist von John Shanks produziert worden, einem Mann für eher gleichförmigen Rock, er hat hier schon früher einmal Hand angelegt. Etheridge wollte „Fearless Love“ eine Platte, die hundert Sachen fährt und doch ihre alten Stärken bündelt.
An einigen Stellen gelingt das dann auch. „The Wanting Of You“ hat Etheridges kämpferische Romantik, „Heaven On Earth“ das hymnische Sehnen. Der Titeltrack verbindet einen Coldplay/U2-Standard mit dem hier typischen Stürmen und Drängen. Die Band rockt hart und weiträumig, die Gitarren klingeln links und rechts, die Keyboards rühren den Pop an – das alte akustische Trio bekommt man wohl nicht mehr zurück, doch Etheridges Wesen scheint immerhin durch diese Lieder.
An anderer Stelle sind dagegen die Riffs unangenehm krachledern. Ist es nicht möglich, eine Rockplatte zu machen, ohne nur das Bekannte zu wiederholen? Ein Glück, dass dann „Only Love“ kommt, in dem Etheridge die eigene Schreibe mit dem psychedelischen Blues-Folk von Led Zeppelin verbindet. Das Lied eröffnet die gute Schlussphase des Albums. Am Ende steht der Walzer „Gently We Row“, das mit Abstand schönste Lied des Albums. Leises Summen, trauriges Schunkeln, kein Ballast: Es ist fast wie früher.