Nichtseattle

„Haus“ – Reiß alles ab!

Staatsakt (VÖ: 12.4.)

Die Poesie des Lebens von unbehausten Existenzen

Das Eigenheim ist das Gegenteil von Rock’n’Roll. Der ist rastlos, will raus und nicht zu Hause rumhocken. Obwohl die Musik, die Katharina Kollmann als Nichtseattle macht, kaum mit Rock ’n’ Roll zu verwechseln ist, erzählt auch sie von den Unbehausten, von Menschen, die zwar ein Zuhause suchen, es aber nirgends finden. Die Songs auf „Haus“ sind keine Hymnen auf das Heimelige, sondern erzählen von Menschen, die in allen Wohnformen, in die sie hineingeraten, Passant:innen bleiben, immer auf der Durchreise.

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„Ich sammel meinen Körper ein/ Der scheint nicht angebracht zu sein/ Ich tröste meine Einzelteile/ Pack die ein und fahr ’ne Weile“, singt Kollmann in „Beluga (Eigentumswohnung)“, einem großartigen, mehr als acht Minuten dauernden lyrischen Epos aus Stimmen, Gitarren und ein wenig Schlagwerk. Sie ist darin eine, die heimatlos durch ihre Heimatstadt irrt, nachdem sie vor der Verlogenheit des Bio-beseelten Hipstertums Reißaus genommen hat: „Warum esst ihr nicht einfach das Quinoa/ Eure Bete und macht Yoga?“

Also doch Rock ’n’ Roll!

Jeder Song auf „Haus“ enthält im Titel in Klammern einen Ort, der ein Zuhause sein kann – oder vorgibt, eines zu sein. Bei den Geschichten über Gemeinschaft, Vereinzelung, prekäre Lebenssituationen oder die falschen Versprechungen des Kapitalismus geht es von der Eigentumswohnung ins Tagescafé, vom Zelt in die Plattenbausiedlung, vom Fahrgast unterstand zum Schloss.

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Wie immer widersetzen sich die Lieder von Nichtseattle dabei üblichen Songstrukturen, kommen meistens ohne Refrain aus, und selten hat Kollmann nach fünf Minuten zu Ende erzählt. Unterwegs begegnet man einem Paar, das davon träumt, in einem Haus aus Papier nicht mehr heillos allein sein zu müssen; einer Frau, die sich immer von Menschen mit Altersvorsorge Regenschirme borgt; einer, die am liebsten im Türrahmen stehen bleibt, um schnell wieder umdrehen zu können; einer, die immer noch das Mädchen mit Turnbeutel auf dem Nachhauseweg ist; und schließlich einer, die glaubt, dass es ein Zuhause erst geben kann, wenn alle Häuser abgerissen sind. Also doch Rock ’n’ Roll!