Pale Fire :: Lykke Li in bitter: elektrisierter Schlafzimmerpop aus Schweden

Warum sich immer wieder in die Liebe stürzen? Am Ende holt einen die Einsamkeit sowieso wieder ein. „Solitude’s my best friend/ The only one that sees me cry/ Tells me I will never need another man/ If I keep my head up high/ And walk on by“, singt eine betörende Stimme. Der Song zu dieser bitteren Erkenntnis heißt dann auch „Walk On By“, gibt sich einer an den Pet Shop Boys geschulten Discotristesse hin, gönnt sich aber trotzdem ein hymnisch-hypnotisches Chorfinale. Die Schwedin Sarah Assbring, die sich El Perro Del Mar nennt, seufzt sich durch das Album „Pale Fire“, als ob sie die große Schwester von Lykke Li wäre, und pflegt in einer elektronisch aufgeladenen Kammerpoptanzstunde ihre Depressionen.

El Perro Del Mar erzählt in atmosphärisch-verhuschten Songs, die eine Vorliebe für vielschichtige Texturen und quakende Synthies haben, am liebsten von den Qualen und Wonnen des Einsamseins, vom Rückzug, von der glückseligen Trübseligkeit. Auch „Hold Off The Dawn“ sehnt sich zum dunkel groovenden Bass danach, sich einzuigeln, widersetzt sich dem Blick in die Zukunft. Und wie in der Nummer „Pale Fire“, gibt es oft ein ganzes Knäuel aus Rhythmen, das es zu entwirren gilt. Durch „I Carry The Fire“ schimmert ein bisschen Yello und der Bass darf ausnahmsweise sogar richtig funky knacksen. „Love Confusion“ ist ein Synthie-Liebes-Mantra, „To The Beat Of A Dying World“ und „Dark Night“ sind mal störrische, mal wehmütige Dancetracks, durch die sogar Andreas-Vollenweider-Harfensounds plätschern dürfen.

Und während die zart getupften Harmonien von „I Was A Boy“ etwas Versöhnliches haben und der Platte kurz mal trotz des ungeraden Beats die Anspannung nehmen, ist El Perro Del Mar bei „Love In Vain“ wieder beim liebesmüden Lamento angekommen – und reimt seufzend zu einem Reggae, dem der Sommer geklaut wurde: „I need no more pain/ Love’s in vain.“ (Memphis Industries/ Indigo) Gunther Reinhardt

Fanga & Maalem Abdallah Guinéa

Fangnawa Experience HHHH

Faszinierende Symbiose: Afrobeat kombiniert mit Gnawa-Grooves

Die Idee ist verblüffend einfach und funktioniert faszinierenderweise schlüssig, und diese Herren können sich rühmen, dass sie die Kombination wohl als Erste entdeckt haben: Das französische Kollektiv Fanga und der marokkanische Sufi Maalem Abdallah Guinea (nebst seinem Kollektiv Nasse Ejabda) verschmelzen Afrobeat und Gnawa-Grooves. Was sich in geschriebenen Worten wie eine Trockenübung anhört, wie eine zusammengeschusterte Legierung, an denen die Worldmusic nun mal leider reich ist, gerät hier jedoch zu einer ganz und gar erstaunlichen Symbiose.

Zwei Welten fügen sich mit bezwingendem Live-Charakter in einem magischen Schlüssel-Schloss-Prinzip zusammen, und das funktioniert sowohl auf der rhythmischen wie der vokalen Ebene mit ganz großem Besteck, sprich: doppelter Bigband-Besetzung. Die klappernden Garagab-Kastagnetten der Gnawa schieben sich unter Moogs und Orgel, über den komplexen Drum-Patterns à la Tony Allen schweifen die Gnawa-Anrufungen. Die dumpf pumpende Basslaute Guembri und die funky Rhythmusgitarre spielen so einträchtig Seite an Seite, als hätten sie von jeher den gleichen Stammbaum bevölkert. Dazu gibt’s beseelte Sax-Impros, die auch mal dreist bei Ravels „Bolero“ stibitzen, genauso wie psychedelische Stromgitarren-Exkursionen.

Was sich in diesen Zehn- bis Fünfzehnminuten-Dramaturgien abspielt, die die Anforderungen des Formatradios durchgängig sprengen, kreiert einen Flow nicht nur über die Sahara hinweg, sondern vereint auch die spirituelle Sphäre der schwarzen Minderheit Marokkos mit politisch gefärbter Deklamatorik, lässt die Intensität eines Sufi-Rituals auf schwitziges Brodeln des Fela-Kuti-Erbes treffen. Großes panafrikanisches Ohrenkino. (Strut/Alive) Stefan Franzen

Brian Eno

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