Replays 2 von Bernd Matheja

Englischen Wiederveröffentlichern muß oft hilfreich zur Seite gestanden werden – und sei es auch nur mit einem popeligen Hinweis darauf, daß „auf dem Kontinent“ eventuell mal Platten erschienen sind, die es im Kingdom nie gab. So verfuhr „yourstruly“ und mahnte für „Eight Gigs A Week. The Steve Winwood Years“(Mercury 524180) der SPENCER DAVIS GROUP die Rarität „Det war in Schöneberg“/ „Stevie’s Groove“ an. Erfolg bei den meist Unbelehrbaren: immerhin 50 Prozent. Die B-Seite jener Absurd-Single von 1966 fand den Weg auf diese Doppel-CD, der „Lederhosen Folk Song“ (O-Ton Muff Winwood im Booklet-Text) blieb leider auf der Strecke zwischen Hamburg und London. Musikalisch gewiß eine vertretbare Entscheidung, für alle Sammler jedoch ein Tritt ins Kreuz, zumal noch ausreichend Platz für einen „curiosity track“ vorhanden gewesen wäre. Das Versäumnis ändert allerdings nichts an der Qualität dieser Großportion englischen Rhythm & Blues. 51 Titel wurden untergebracht, von denen lediglich zwei bislang unveröffentlicht waren: Liveim-Studio-Versionen von „Kansas City“ und „Oh! Pretty Woman“. Die Auswahl der Songs ist punktgenau geglückt: Single-A-Seiten, Hits, groovende 45er-B-Seiten (stets kleine Klassiker der Band!). Dank der eher späten Plazierung der Chart-Treffer auf der Compilation ist die musikalische Entwicklung von Winwood & Co. bestens nachvollziehbar – ein beeindruckender Weg vom Covern alter Blues-Schlurren über die Verwertung der Songs des Jamaikaners Jackie Edwards („Keep On Running“, „Somebody Help Me“, „When I Come Home“) bis hin zu Stevies Eigenbauten („Gimme Some Lovin'“, „I’m A Man“). Wichtige Randnotiz: Die bei Fans verhaßte US-Fassung von „Gimme Some Lovin'“ mit ätzendem Damen-Chor wurde hier nicht verwendet. 4,0 für eine lange überfällige Zusammenstellung.

Aus der Vinyl-Abteilung „Unauffindbar“ stammt „Bombs (her Puerto Rico“ von JIM & INGRID CROCE (Bear Family BCD 15894). 1969 waren weltweit nur geschätzte 40 000 Exemplare dieses Frühwerks verkauft worden. Das Ehepaar wurde darauf von Session-Cracks wie John Stockfish, Eric Weissberg, Harry Chester und Cashman & West begleitet. Die elf hyperseltenen Songs (Spielzeit: 28 Minuten) signalisierten mit einem Country-Folk-Gemisch, wohin Croces stilistische Reise einmal gehen würde. Mit 3,0 sind die klanglich einwandfreien Vorläufer von „I Got A Name“ oder „Bad Bad Leroy Brown“ angemessen benotet.

Vor nunmehr 20 Jahren begann das musikalische „Age of the Rotzlöffels“. Ihr größtes Verdienst war der Stellenwert als Weckamin gegen den Stillstand Mitte der 70er Jahre. Andere dagegen bevorzugten weiter die alte Spielweise, setzten auf Adenauers zweifelhafte Maxime: „Keine Experimente!“. Zum Beispiel BULLFROG. Das deutschösterreichische Quintett (nicht zu verwechseln mit Green Bullfrog um Albert Lee) favorisierte nach wie vor die erprobte, gerade wieder halb-angesagte Krautrock-Variante mit schweren Orgel-Riffs, überflüssigen Synthetik-Einschüben sowie Gitarren-Exkursionen, die gern in Zehnminüter eingenäht wurden: Theatralik war gefragt. Gut, daß es da Sänger wie Gerd Hoch gab: vergleichbar mit Bernd Pulst von Jane, glich seine erdige Bölke die Abhub-Tendenzen der Rest-Crew zumindest partiell aus. 2,0 für das Debüt „Bullfrog“ (Green Tree Records GTR-033.

Zum „Abräumer“, „Fetenkracher“, „Rausschmeißer“ etc. könnten sich die immerhin funkbeworbenen „Greatest Hits“ (Repertoire REP 4572) der EQUALS auswachsen. Nach vielen Mau-Compilations und völlig unsinnigen 1:1Überspielungen ist dies in der Tat die ultimative Veröffentlichung: 28 Tracks mit definitiv allen Chart-45ern, die je erschienen sind. Eddie Grant und seine schwarzweiße Misch-Combo erhoben nie künstlerisch wertvollen Anspruch – und hielten sich knallhart daran. Humpta-Pop, bei dem die Primitiv-Luzie abging, das sind die Zwei- bis Dreiminüter bis heute geblieben. 2,5

Wir bleiben in der Hardcore-Sektion: „Swinging Sixties Hit Man“ (Repertoire REP 4504) ist ein Doppeldecker in Sachen CHRIS ANDREWS. Der Erfolgsautor und -produzent (Adam Faith, Sandie Shaw etc.) mit der Quetsch-Stimme und Vorliebe für verpoppte Calypso-/Bluebeat-Melange erfahrt hier (ebenfalls nach diversen Ramsch-Mischungen) Genugtuung: 57 Titel, darunter zwei französische, vier deutsche) sind im Angebot. Natürlich alle Hits, aber auch eine Nummer wie „Michigan River“, die in 2.50 Minuten das Gesamtwerk der Les Humphries Singers vorwegnahm. Gleich 14 Andrews-Ergüsse in deutscher Sprache (plus sechs UK-Tracks) bietet „Seine größten Erfolge“ (Herzklang/Sony HER 481 554): Ebenfalls Ton-Futter für jeden Seniorenabend, in dessen Verlauf Heber von Tony Marshall, Roberto Blanco und Peter Petrell allerdings strikt verpönt bleiben – zweimal. 2,0

Auf der nach unten offenen Vernichter-Skala finden sich auch die RAINBOWS. Die Klientel für die „Rainbows “ (Green Tree Records GTR 027) können nur Sammler sein. Nach der Endzeit-Hymne „Balla Balla“ drückte die Kapelle noch Single-Steigerungen wie „Kommando Pimperle“ oder“Rotkarierte Petersilie“ (kein Scherz!) ab. Die Kopplung stellt die „Alles-habenmüssen“-Fraktion zufrieden – mit sämtlichen 27 Werken der Hauruck-Verbindung, darunter (auch kein Scherz!) das ausgesprochen gelungene „It’s Too Late“ von einem ehemaligen CBS-Sampler. For completists only, keine Wertung.

Ebenfalls um ein reines Sammlerstück dürfte es sich bei »THE TEMPTONES“ von der gleichnamigen US-Obskur-Band handeln (Bear Family BCD 15917). Die Mittsechziger-Gruppe aus Philadelphia veröffentlichte auf dem nicht mehr erinnerbaren Arctic-Label ganze zwei noch weniger erinnerbare Singles. Bear Family hat diese Mini-Grundlage vergrößert – um Archiv-Funde und verstreute Demos nämlich, weshalb sich eine fundierte Wertung verbietet.

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