Replays 2 von Bernd Matheja
Die CD fürs Nußbaumregal ist auf dem Vormarsch. „Dröhner wohnen“, etwa mit „Flower Rock“ von den SEEDS (Drop Out 16/Contraire). In diesem Fall – gelungen. Auf drei Scheiben, sehr appetitlich verstaut im Hardcover-Hochformat, ist das Gesamtwerte der garagigsten aller Abstellraum-Bands untergebracht: fünf komplette LPs, dazu überhängende, rare Singles, 62 Titel. Sky Saxon und seine genialische Zweiakkord-Combo präsentieren dudelnde Kirmesorgel, Ein-Finger-Gitarren“Soli“ und rostigen Sprechgesang – mal als Hauruck-Rock, mal pseudo-psychedelisch abgedreht, ein Minimal-Klassiker jagt den nächsten. Höhepunkt: die Langfassung von „Up In Her Room“, 14:44 Minuten magisches Stupid-Geleier. Hut ab und 4,0.
Nur einen einzelnen Karriereabschnitt (und leider nicht den besten) erfaßt „No Holding Back“ (FBOOK 15) von GRAHAM PARKER. Tracks der Jahre 1980 sowie 1988 bis 1994 können nicht zufriedenstellen, Parkers echte Sternstunden aus der Frühzeit bleiben aus rechtlichen Gründen ausgespart. Sicher: Auch hier liegt das Singer/Songwriter/Band-Niveau noch immer über dem Schnitt (und mit den vier Songs der „Christmas Crakker“-EP von 1994 hat’s sogar Sammler-Gold!) – dennoch bleibt der geneigte Hörer mäkelnd zurück: 3,0
SCOTT WALKER, die nächste. „Looking Back With…“ (Repertoire REP 4604) – schon in der letzten Ausgabe gestreift – ist eine zwiespältige Angelegenheit. Sammler greifen ob der unerhörten Seltenheit des Materials zittrig-erregt zu: Ist schon die erstmals umgehobene Original-LP schwer auffindbar, haben die 13 angehängten Bonus-Tracks glatt Mauritius-Niveau; Singles aus mausgrauester Vorzeit, ein unveröffentlichter Titel. Walker/Engel sang damals in der Altersklasse „14(!) bis 18“. Trotz streckenweise bemühter Pennäler-Power ist schon hier deutlich zu erkennen, wo die stilistische Reise einmal hingehen würde. Doch selbst eingefleischte Fans (me that is) müssen ehrlich erkennen: Hieße der Interpret Jim Jones oder Jack Miller – kein Aas würde sich um diese Songs zwischen Rock ’n‘ Roll, Weiß-Soul und US-Schlager kümmern. Daß antiquarischer, sechs- bis achtblättriger Sound-Klee zugänglich gemacht wurde – darin liegt die Berechtigung für eine 3,0 -Wertung.
Englische „Girlies“ der 60er Jahre konnten auch anders. Das bewiesen etwa Dusty Springfield mit „Dusty In Memphis“, Kiki Dee mit „Great Expectations“ und Lulu mit „New Routes“. Auch PETULA CLARK gönnte sich 1969 mit Memphis“ (Sequel NEBCD 901) einen Abstecher ins Geschwärzte. Von Chips Moman (Elvis & Co.) vor Ort produziert, sang sich die heute 63jährige durch ein Repertoire aus Standards wie „People Get Ready“, „Neon Rainbow“ etc. Fazit: MOR-Pop mit Balladen-Einschlag und Gütesiegel, perfekt inszeniert und (digital überarbeitet) von nahezu makellosem Sound; alles mit 3,0 korrekt eingestuft.
Legendär-Projekt, Vol. 2. Nach der Komplettierung der „Teenage Opera“ von und durch Mark Wirtz taucht auch er jetzt auf- der „Rock And Roll Circus“ der ROLLING STONES und ihren illustren Gästen, in der letzten Ausgabe von Wolfgang Doebeling gewürdigt. Nach 28 Jahren im Archiv ist die BBC-Veranstaltung vom 11.12.1968 dem gemeinen Volk als CD in oberhübscher Aufmachung verfügbar. Conferencier Mick Jagger kündigt ein Aufwärmprogramm an, das es bereits in sich hat: Hochverehrtes Publikum, live im Studio- Marianne Faithfull, Jethro Tull, Taj Mahal, The Who – sämtlich mit individuellen Versionen bekannter Titel, bevor es zu einem Zwischenhoch komme Eric Clapton (g), Keith Richards (b), Mitch Mitchell (dr) und John Lennon (voc, g) als „The Dirty Mac“ mit „Yer Blues“. Dieselbe Band mußte auch bei „Whole Lotta Yoko“ tätig bleiben. Die sogenannte Sängerin (in Wahrheit etwas weniger als ein solistisches Garnichts) durfte einmal mehr abkeifen, weil sie mit Lennon verbandelt war. Müll. Die Rettung folgt gleich sechsfach. Ein halbes Dutzend Stones-Titel aus der Hoch-Zeit der Kapelle mit gar wunderbaren Fassungen von „No Expectations“, „Salt Of The Earth“ und „Parachute Woman“. Nur geringfügig dahinter: Jumping Jack Flash“, „You Can’t Always Get What You Want“ und „Sympathy For The Devil“. Schroff, schludrig, steinig. 4,0 für die Katalognummer Polydor 1268-2. Und als nächste Ausgrabung dürfen jetzt gern die restaurierten Doppelkonzerte von Them mit den Doors aus dem Jahr 1966 kommen, als Van & Jim gemeinsam eine Viertelstunde lang eine gewisse G-L-O-R-I-A besangen…
Eine etwas rätselhafte Wiederveröffentlichung aus der jüngeren Vergangenheit: Die drei Alben der New Yorker Zeitlupenkünstler GALAXIE 500 sind nun in einem schmucken Schuber versammelt (Ryko 10355), nebst einer CD „Uncollected“. „Today“, „On Fire“ und „This Is Our Music“ – erschienen zwischen 1987 und ’91 – enthalten ätherische Schneckenmusik mit elegisch verhalltem Gesang, eine friedlich verträumte Fortschreibung der luftigsten Momente von Velvet Underground. Der Gitarrist und Sänger Dean Wareham leitet heute Luna (die auf Wunsch von Lou Reed an der Underground-Wiedervereinigungs-Tournee teilnahmen), während die Bassistin und Sängerin Naomi Yang und der Schlagzeuger Dämon Krukowski als Dämon & Naomi ein hippieskes Album aufgenommen haben. Im liebevoll gestalteten Booklet äußert sich das Trio noch einmal zur Geschichte der Band, die schon damals entschieden nicht berühmt war und sich eher verflüchtigte als auflöste. Ephemer, körperlos, schemenhaft wie ihre Lieder. Jetzt ist also alles eingemeindet, zu Ende erklärt und historisch gesichert. Reiner Luxus, diese Box, eine veritable Sünde aber für sehr wenige Liebhaber ein Geschenk zum Weihnachtsfest mit Räucherstäbchen. 3,5